Saturday, December 19, 2009

Gescheitert

Wolfgang Mehl aus Kopenhagen

Kopenhagen ist gescheitert. Die größte Klimakonferenz aller Zeiten endet mit einem Minimalkompromiss, der nur als Klimakatastrophe bezeichnet werden kann.
Ein afrikanischer Delegierter, der vor mir stehend Präsident Obamas Pressekonferenz am Bildschirm verfolgte, brachte es mit der gleichzeitig geschriebenen SMS auf den Punkt "We have lost". Verloren haben alle, vor allem aber die am schwersten vom Klimawandel betroffenen ärmsten Länder dieser Erde.

FAB sollte es sein, das Kopenhagener Klimaschutzabkommen, fair ambitiös und bindend. Geblieben ist eine vage politische Deklaration ohne konkrete Ziele und Verpflichtungen. Ihre Reduktionsziele bis 2020 dürfen sich die Industriestaaten nach einem "wer hat Lust zu ein bisserl freiwilligem Klimaschutz" mehr oder minder selber aussuchen. Zahlen müssen bis 1. Februar 2010 genannt werden.

Das Gesamtziel "minus 80 Prozent Treibhausgasemissionen" für die Industriestaaten gesamt bis 2050 ist im letzten Moment völlig aus dem Text entfernt worden.
Der Waldschutz und viele weitere wichtige Fragen wurden vertagt.

Ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag könnte bis zur COP16 Ende 2010 stehen, aber auch das ist nur eine Absichtserklärung.

Einzig die Zusage von je 30 Milliarden $ Soforthilfe per Jahr 2010-2012 und 100 Milliarden per Jahr ab 2020 für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in den Entwicklungsländern bleiben als Pluspunkte über.

Letztendlich wurder der Copenhagen Accord auch im Schlußplenum von vielen AOSIS, lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten abgelehnt und konnte nur in der schwächst denkbaren Form "the Conference takes note of" beschlossen werden. Der berechtigte Widerstand vieler Länder musste dokumentiert werden.

120 Staats- und Regierungschefs fahren mit leeren Händen nach Hause. Die "Copenhagen Accords" sind ein verzweifelter, aber missglückter Versuch mit einer äußerst schwachen politischen Abschlussdeklaration das Gesicht zu wahren.

Ein "Fossil of the Day" haben sich sehr viele redlich verdient.
Nach meiner persönlichen Überzeugung wäre ein klares und lautes Scheitern besser gewesen als dieser Katastrophen-Kompromiss.

Das hätte vielleicht ein kollektives Aufwachen und komplett neue Ansätze ermöglicht. Z.B ein globales Kohlenstoff-Budget, berechnet entsprechend dem maximal-2-Grad-Ziel, das zu gleichen Teilen auf alle Menschen aufgeteilt wird.

Friday, December 18, 2009

Kopenhagen - die letzten Stunden beginnen

Parallel zum gerade begonnen informellen High Level Plenary mit 120 Staats- und Regierungschef, das allgemein als entscheidend betrachtet wird, dominieren Gerüchte das Kopenhagener Bella Center.
Angesichts der längst eingestandenen Unmöglichkeit, hier in Kopenhagen einen völkerrrechtlichen bindenden Klimavertrag für die Zeit nach Auslaufen des Kyoto-Vertrages zu erzielen, fokusiert sich die Arbeit auf eine mehr oder weniger bindende politische Deklaration, die dann im Laufe des Jahres 2010 in einen Vertrag umgewandelt werden soll.

Die Gefahr ist groß, dass eine 2-seitige Schlußdeklaration zusammengestellt wird, die gerade mal das 2-Grad-Ziel festschreibt und eine 100 Milliarden $ Finanzierung für Klimaschutz- und Anpassung in den Entwicklungsländern verspricht.
Konkrete Reduktionsziele bis 2020 für Industrieländer kommen möglicherweise in dieser politischen Deklaration (auch der Titel des Dokuments ist weiterhin umstritten) gar nicht vor, entscheidende Fragen wie der Waldschutz oder die Flugverkehrsemissionen werden wohl jedenfalls vertagt.
Brasiliens Präsident Lula hofft auf ein Wunder in den letzten Stunden, Hugo Chavez meint, wohl zu Recht "Wäre das Klima eine Bank, wäre es gerettet worden".
US-Präsident Obamas Rede bringt wenig Neues, es bleibt beim "Angebot" 17 % Reduktion zu 2005, was gerade mal 4 % auf Basis 1990 sind. Der entscheidende Punkt ist die externe Prüfung der Emissionsentwicklung der Schwellenländer, de facto die Machtfrage zwischen China und den USA.
Ein langer Tag und wohl eine lange Nacht stehen noch bevor.

Thursday, December 17, 2009

Chaos in Kopenhagen – Konferenzausgang ungewiss

Wolfgang Mehl aus Kopenhagen

Am vorletzten Tag der größten Klimakonferenz aller Zeiten beherrschen Unsicherheit, Nervosität, allgemeines Blockieren und Chaos auf vielen Ebenen das Konferenzleben.

Der Zugang für Oberserver und NGOs wurde aus „Kapazitäts- und Sicherheitsgründen“ für die letzten beiden Konferenztage auf symbolische 300 VertreterInnen (inklusive der Industrie-Lobbyisten) eingeschränkt.
Der Autor dieser Zeilen ist einer dieser letzten Mohikaner.

Die Arbeitspapiere der Hauptgruppen (AWG-LCA und AWG-KP), die am Freitag von den Vorsitzenden vorgelegt wurden, sind inzwischen mehrfach überarbeitet und erweitert worden.
Insgesamt sind die Texte deutlich schwächer und weniger konkret als Ende der ersten Verhandlungswoche.
Jeder Versuch über relative Klimaschutzziele für die Entwicklungsländer zu sprechen bevor konkrete Zahlen für die Verpflichtungen der Industrieländer am Tisch liegen, werden von ersteren strikt abgelehnt.
Verständlich angesichts der provokanten Nicht-Übernahme von Verantwortung seitens der reichen Länder dieser Erde in den Jahren seit Kyoto 1997.

Die bisher vorgelegten Reduktionsverpflichtungsangebote der Industriestaaten reichen gerade mal für 15 bis 20% weniger Treibhausgase bis 2020. Zahlen die zu 3 bis 4 Grad Erderwärmung statt der maximal erträglichen von 2 Grad führen.

Eine schwer zu lösende Patt-Situation und eine große Gefahr dass Freitagnacht eine Matt-Situation für das Weltklima als Ergebnis entsteht.
Eventuell durch eine schwache politische Absichtserklärung der 120 anwesenden Staats- und Regierungschefs „behübscht“.

Ein großer politischer Poker und Machtkampf mit ungewissem Ausgang auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs steht jedenfalls für die letzten beiden Nächte in Kopenhagen bevor.
Die Gefahr, dass dabei das Weltklima auf der Strecke bleibt ist leider sehr groß.

Sunday, December 13, 2009

Geld hat ein „Mascherl“

Vieles im komplizierten Prozess der Klimaverhandlungen ist nur im Zusammenhang oder in Kombination mit anderen Themen richtig zu verstehen.

Ein schönes Beispiel hierfür ist das am Freitag von der EU stolz verkündete „Klimaschutz-Soforthilfepaket“ für die vom Klimaschutz bereits heute viel stärker betroffenen Entwicklungsländer. In Summe 7,2 Milliarden €, jeweils 2,4 pro Jahr von 2010 bis 2012. Angeblich mussten rund 10 der 27 EU-Länder mit sehr viel Nachdruck zu einem Beitrag überredet werden.

Klingt gut auf den ersten Blick. Die Begeisterung seitens der in den Klimaverhandlungen als G77 zusammengefassten Entwicklungsländer und der im Kopenhagener Bella Center versammelten entwicklungs- und umweltpolitischen NGOs hielt sich trotzdem in überschaubaren Grenzen.

Das hat gute Gründe.

Zum einen ist die Summe im Verhältnis zu den Beiträgen die laut wissenschaftlichem State of the Art notwendig ist marginal. Man geht davon aus, dass ca. je 150 Milliarden € pro Jahr, gleich aufgeteilt auf Klimawandelanpassungsmaßnahmen und klimafreundliche Technik im Süden notwendig sind. Nicht allein von der EU, aber von allen Industrieländern zusammen.

Zweitens fehlt die langfristige Perspektive. Um nachhaltige Entwicklung im Süden zu ermöglichen ist eine verlässlich-kontinuierliche Finanzierung weit über 2020 hinaus notwendig.

Schließlich, und das führt zurück zur Geschichte mit dem Mascherl: Zum größten Teil handelt es sich um kein neues Geld, keine neuen Unterstützungen sondern um anders gewidmete Beiträge, z.B. aus den herkömmlichen Entwicklungszusammenarbeits-Mitteln. Altes Geld mit neuem „Mascherl“.

Eine Tatsache, die von vielen Entwicklungsländern als Provokation gesehen wird.

Klimagerechtigkeit sieht anders aus.

Friday, December 11, 2009

Copenhagen: it should be FAB - fair, ambitious and binding

Ein neues Kürzel der an Abkürzungen und Metasprache reichen Klimaverhandlungen hat die erste Woche der Kopenhagen-Verhandlungen geprägt: Fair soll er sein, der neue Klimavertrag, ambitiös und völkerrechtlich verbindlich.
Was darunter zu verstehen ist, darüber gehen die Meinungen und Positionen jedoch wie befürchtet und sich schon lange abzeichnend leider meilenweit auseinander.
Taktisch prägen die ersten Verhandlungstage die Prinzipien, die schon alle Weltklimakonferenzen der letzten Jahren zu mehr oder minder großen Klimakatastrophen gemacht hat: Wer sich bewegt, hat verloren, Position halten um jeden Preis, keinen Deut nachgeben bevor die Minister kommen.
Das Spiel mit ungewissem Ausgang für die Zukunft der Menschheit wird noch immer nach dem Grundprinzip betrieben „wer am wenigsten für den Klimaschutz tun muss hat gewonnen“. Ein Pokerspiel mit gefährlichen Konsequenzen beruhend auf dominierend sektoralen Interessen der verschiedenen Verhandler.
Eine gewisse Dynamik lässt sich jedenfalls für die zweite Woche schon allein dadurch erwarten, dass der Übergang zum politischen High Level Segment diesmal zweistufig erfolgt. Erst dürfen die (Umwelt)minister ran, dann die Regierungschefs.

Einige Highlights der ersten Verhandlungstage:
• Saudi-Arabien bestätigt seine Rolle als Top-Bad-Guy schon im Eröffnungsplenum und stellt den Klimawandel unter Hinweis auf die britische Klimadaten-Affäre noch einmal grundsätzlich in Frage.
• Österreich bekommt bereits am ersten Konferenztag gemeinsam mit Finnland und Schweden ein „Fossil of the Day“. Zwar nicht für die in der EU-27 einzigartige Verfehlung der Kyoto-Ziele, sondern für einen Vorstoß zur kreativen zusätzlichen Klimabilanz-Anrechnung von Waldzuwachs.
• Ein Geheimpapier des dänischen Ministerpräsidenten, veröffentlicht von der brittischen Tageszeitung „The Guardian“ das angeblich nicht einmal mit der zuständigen Kliministerin (ja, Dänemark hat eine solche) abgesprochen war, empört die Entwicklungsländer, weil eine Trennung zwischen Schwellenländern mit Reduktionszielen und ärmeren Entwicklungsländern ohne Reduktionsziele vorgesehen ist.
• Ein Vorstoß der ärmsten und stäkst betroffenen Länder unter Führung der AOSIS (die pazifischen Kleine-Insel-Staaten, die buchstäblich gegen das Untergehen kämpfen), die ein Limit für die Erderwärmung von 1,5 statt 2 Grad fordern, droht die Gesamtgruppe der Entwicklungsländer (G77) zu spalten. Ein Teil der AOSIS-Delegationen verlässt zeitweise die Verhandlungen.
• Die EU ringt auf Regierungschefebene um eine Sofort-Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen im Süden, die die Entwicklungsländer verhandlungsbereit bezüglich Reduktionszielen stimmen soll. Beschlossen werden rund 2,4 Milliarden € per Jahr ab sofort. Ein Tropfen auf den heißen Stein und ein Schelm wer mit den Bankenhilfspaketen vergleicht. Internationale Studien berechnen dass ca. 70 Milliarden € per Jahr für Anpassung im Süden notwendig wären und nochmals so viel für klimafreundliche Technologie.
• UNFCCC Generalsekretär De Boer überrascht mit der Ankündigung dass es am Ende der Konferenz wohl 2 Abschlüsse geben wird, eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls und eine Extra-Regelung für Staaten für die USA. Beobachter rätseln über die dahinterstehende Taktik zu diesem Zeitpunkt.

Die Hauptfrage für die kommende Politikerwoche lautet: Wird es zumindest ein Hopenhagen Deal oder steht uns eine CCCCC (Copenhagen Climate Change Conference Catastrophe) bevor?
Es werden wohl schwierige, lange und spannende Nächte werden.
Jedenfalls wäre im Zweifelsfall ein lautes und weltweit peinliches Scheitern für die Zukunft der Klimaverhandlungen besser als ein schwaches Abkommen, dass echten Klimaschutz für Jahre blockiert und mit viel PR-Aufwand als politischer Erfolg verkauft wird.

Letztgültig geht es um nicht mehr oder weniger als ein hochkomplexe Geflecht der weltweiten Infrastruktur von Energieerzeugung, Mobilität und Ernährung in kurzer Zeit radikal umzustellen, andere Konsummuster zu verankern und einen Ausgleich zwischen den reichen Nationen und den armen Ländern des Südens herzustellen.
Der Klimawandel mischt die Karten im politischen Kräftemessen neu: China steigt zur neuen Supermacht auf und besetzt die Leerstelle, die die zerbröselnde Sowjetunion hinterlassen hat. Die USA und China besitzen als größte Treibhausgasnationen die Fähigkeit zum ökologischen Overkill. Ohne sie geht nichts, und nur sie können einen Deal zum Erfolg führen. Die EU hat bis jetzt keinen Platz mit Bedeutung und echter politischer Macht dazwischen gefunden
Und auch die Neutralität ist in Zeiten der globalen Erwärmung keine Alternative: Beim Klimawandel kann es keine blockfreien Länder geben.

Friday, November 27, 2009

Kopenhagen: warten auf ein Wunder

Seit der vorletzten UN-Klimakonferenz in Bali im Dezember 2007 weiß es die ganze Welt: Der Weltklimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 wird der wichtigste in der Geschichte der Klimaverhandlungen. Ein neues, ehrgeiziges und ambitioniertes Klimaabkommen soll beschlossen werden, das weit über die Kyoto-Ziele hinaus geht und die Weltklimapolitik bis 2020 bestimmen soll.

Eckdaten dieses neuen Abkommens sollen eine Stabilisierung der globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad plus über dem vorindustriellen Niveau, eine gerechte Lastenverteilung zwischen Industrie- und Schwellenländern sowie eine umfassende Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt sein.



Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Zahl der Zwischenverhandlungen und Unterarbeitsgruppen zu Klimarahmenkonvention und Kyoto-Protokoll erst verdoppelt. Dann immer weiter erhöht. Seit Monaten konferieren die zuständigen Beamten der Vertragsstaaten fast ohne Pause. Der schwedische EU-Vorsitz unter dem konservativen Premier Reinfeldt hat ein ambitioniertes Kopenhagen-Abkommen zum mit Abstand wichtigsten Ziel der Präsidentschaft erklärt, zumindest die schwedische Bevölkerung unterstützt laut Umfragen trotz Wirtschaftskrise diese Priorisierung.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Studien und Berichte veröffentlicht werden, dass der Klimawandel rapider voranschreitet als die schlimmsten IPCC-Szenarios prognostizieren, oder dass die Arktis schneller schmilzt als in allen Berechnungen kalkuliert wurde.

Trotzdem stehen die Verhandlungen wenige Wochen vor dem Beginn der größten Klimakonferenz aller Zeiten vor dem totalen Scheitern und die politischen Schwergewichte der Welt beginnen mit massivem Zurückschrauben der Erwartungen einer völligen Blamage vorzubeugen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach Ende Oktober in Seattle: "Nach Kopenhagen können wir vielleicht nicht erwarten, in allen Punkten übereinzustimmen", schränkte er ein. "Aber wir sollten eine weitgehende Übereinstimmung haben." So sieht ein Begräbnis erster Klasse aus.

Auch der höchste derzeitige EU-Verhandler auf politischer Ebene, Schwedens Umweltminister Andreas Carlgren, sprach wenige Tage vor Ban Ki Moon bereits von Klimaschutzzielen, die sich nicht mehr auf absolute Emissionsreduktionen beziehen, sondern auf Business as usual-Szenarios. Genau jenes Prinzip, das das EU Emissionshandelssystem zum völligen Versagen geführt hat.

Auch die Hoffnungen auf die „neue“ US-Klimapolitik unter Obama haben sich bis jetzt nicht erfüllt. Substanzielle Ziele oder gar Zahlen sind scheinbar ein völliges Tabu in allen verwendeten Formulierungen der US-Delegationen. Persönlich habe ich eine US-Delegation in Kiruna, Nordschweden getroffen, auf Charme-Offensive im aktuellen EU-Präsidentschaftsland. Besonders stolz war man auf ein Joint Venture zur Umstellung von Kampfflugzeugen auf Agro-Kerosin. Peinlich.

Momentan steht die „neue“ US-Klimapolitik bei „Yes, maybe we could“, von „Yes, we can“ ist nichts zu sehen.

Ein letztes Glied in der Kette der wenig erfreulichen Vorzeichen war das Scheitern der EU sich auf einen zumindest EU-intern abgestimmten Vorschlag zur Finanzierung der notwendigen Anpassungsmaßnahmen in den Ländern des Südens zu einigen. Zu viele Länder, an der Spitze die neueren EU-Mitglieder waren der Meinung, dass man das Geld doch lieber bei ihnen zu Hause einsetzen sollte. Wenige Wochen vor Kopenhagen eine gewaltige Provokation für die G77, wie der Zusammenschluss der Entwicklungs- und Schwellenländer in den Klimaverhandlungen genannt wird.

Warum ist es so schwer ein substanzielles Abkommen zustande zu bringen, wo doch fast alle überzeugt sind, dass es um entscheidende Zukunftsfragen der Menschheit geht?

Im Vordergrund steht ganz zentral der scheinbar unlösbare Konflikt zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die ersteren meinen - stark vereinfacht, aber völlig zu recht - die reichen Länder des Nordens haben eine aktuelle und historische Verantwortung für den Klimawandel, also müssen von dort auch umfassende Emissionsreduktionen nachweisbar kommen, bevor über eine Einschränkung der Emissionen der Entwicklungsländer auch nur verhandelt werden kann. Davon war und ist bisher nichts zu sehen, weder in Verträgen noch in Zahlen und Bilanzen.

Der "Norden" argumentiert dann gerne mal, dass Klimawandel ein globales Problem ist, zu dessen Lösung alle beitragen müssen. An der Grenze zum Zynismus nach meiner persönlichen Auffassung.

Zusätzlich ist zu konstatieren, dass die Grundtaktik des Klimaverhandelns noch immer davon geprägt ist, dass, wer als erster Klimaschutzverpflichtungen für sein Land annimmt, als "Verlierer" in den laufenden Verhandlungen gesehen wird. Die Grundregel lautet: Ja keinen Millimeter bewegen, bevor sich nicht die anderen bewegen.

Sehr schön in der derzeitigen Phase der Kopenhagen-Vorgespräche zu sehen: Es gibt einen Basis-Verhandlungstext mit vielen hundert Seiten als Grundlage für ein Post-Kyoto-Klimaschutz-Abkommen. Dieser Text besteht aus allen Formulierungen, die von allen Staatengruppen hineinreklamiert wurden und sich deswegen zum Teil völlig widersprechen. Momentan sagen alle: "Wir müssen ganz dringend den Text massiv reduzieren, damit ein Ergebnis in Kopenhagen möglich ist, aber meine Vorschläge müssen unbedingt drinnen bleiben."

Inzwischen ist vor lauter Taktieren die Zeit bereits zu knapp geworden, dass dich dieser Prozess rein verhandlungstechnisch noch ausgeht.

Nach allen Prognosen wird Kopenhagen einen losen Rahmen von Absichtserklärungen für die Post-Kyoto-Klimapolitik bringen, ohne konkrete und bindende Verpflichtungen. Eine bewährte PR-Maschinerie wird versuchen, das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen und minimale relative Klimaschutz-Verpflichtungen als große Leistung der Industrieländer des Nordens zu verkaufen.

Meine unter diesen Gesichtspunkten ganz persönliche Meinung zum Kopenhagen-Ergebnis: Wenn nicht noch ein riesiges Weihnachtswunder passiert, ist es besser KEIN Abkommen zu haben und Kopenhagen möglichst laut und aufrüttelnd scheitern zu lassen, als ein schlechtes und schwaches Abkommen, dass die Weltklimapolitik dann bis 2020 prägt. Vielleicht ist ja dann globales Aufwachen angesagt.

Tuesday, September 29, 2009

Das große Klimakarussell

Klimaverhandler reisen viel, speziell im heurigen Jahr. Das UNFCCC hat, um die Chancen auf einen Vertragsabschluss in Kopenhagen zu erhöhen, die Zahl der Zwischentreffen, der sogenannten "Subsidiary bodies", für 2009 verdoppelt.
Man verhandelt gerade jetzt - das letzte Treffen vor Kopenhagen - in Bangkog. Neben Bonn, wo aufgrund des Sitzes des UN-Klimasekretariats die meisten Meetings stattfinden, standen 2009 u.a. Kiev, Havanna, Singapore, Kairo, Dar-es-Salam, Barcelona und Stockholm am Programm. Dazu kommen natürlich noch die verschiedenen internen Treffen der Staatengruppen wie zB die EU-Ministerräte sowie High-Level-Events wie die UN-Vollversammlung oder der G20-Gipfel.
Die große Zahl an Verhandlungsrunden führt unweigerlich zur Frage: Warum kommt so wenig dabei raus?
Kaum ein/e Politiker/in weltweit, der/die nicht die höchste Priorität von Klimaschutz und Ergebnissen in Kopenhagen betont. Kein Tag, an dem nicht neue Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, dass der Klimawandel sich weiter beschleunigt und wir genau jetzt umfassend unsere Emissionen reduzieren müssen um die Erderwärmung in der Nähe von 2 Grad plus einzubremsen statt 5 bis 6 Grad zu riskieren.

Warum ist der ganze Klimaverhandlungsprozess trotzdem so träge und zäh?
Der Versuch einer persönlichen Antwort:
Zum einen gilt seit der ersten Klimakonferenz in Berlin 1995 das Einstimmigheitsprinzip. D.h. jedes teilnehmende Land hat ein de facto Vetorecht. Der Tagesordnungspunkt "Rules of procedure" wird seit 14 Jahren zur nächsten Konferenz vertagt, weil vor allem die OPEC-Länder sich eine Einigung auf Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit so teuer wie möglich - bedeutet praktisch viel Geld und wenig Klimaschutz - abkaufen lassen wollen.
Zum zweiten ist der gesamte Prozess zu einem praktisch unüberschaubaren Moloch von Themen, Verhandlungsebenen, Interessensgruppen und Gremien gewachsen. Das Kyoto-Protokoll hatte 1997 rund 80 Seiten, inzwischen sind viele tausend Seiten "Kleingedrucktes" dazugekommen.
Alle Details - Emissionshandel und Senken, Ausnahmen für den Flugverkehr und Anrechunung von Projekten im Ausland (CDM, JI), Technologietransfer und Waldschutz - sind bis jetzt eigentlich ausschließlich dazu verwendet worden, bestehende geringe Klimaschutzverpflichtungen weiter abzuschwächen.
Zum dritten der scheinbar unlösbare Konflikt zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die ersteren meinen - stark vereinfacht, aber völlig zu recht - die reichen Länder des Nordens haben eine aktuelle und historische Verantwortung für den Klimwandel, also müssen von dort auch umfassende Emissionsreduktionen nachweisbar kommen, bevor über eine Einschränkung der Emissionen der Entwicklungsländer auch nur verhandelt werden kann.
Der "Norden" argumentiert dann gerne mal, dass Klimawandel ein globales Problem ist, zu dessen Lösung alle beitragen müssen.
Zuletzt bleibt leider zu konstatieren, dass die Grundtaktik des Klimaverhandelns noch immer davon geprägt ist, dass, wer als erster Klimaschutzverpflichtungen für sein Land annimmt, als "Verlierer" in den laufenden Verhandlungen gesehen wird. Die Grundregel lautet: Ja keinen Millimeter bewegen, bevor sich nicht die anderen bewegen.
Sehr schön in der derzeitigen Phase der Kopenhagen-Vorgespräche zu sehen: Es gibt einen Basis-Verhandlungstext mit vielen hundert Seiten als Grundlage für ein Post-Kyoto-Klimaschutz-Abkommen. Dieser Text besteht aus allen Formulierungen, die von allen Staatengruppen hineinreklamiert wurden und sich deswegen zum Teil völlig widersprechen. Momentan sagen alle: "Wir müssen ganz dringend den Text massiv reduzieren, damit ein Ergebnis in Kopenhagen möglich ist, aber meine Vorschläge müssen unbedingt drinnen bleiben."
Ceterum censeo: Wir brauchen ein Kopenhagen-Weihnachtswunder.

Friday, August 21, 2009

Kopenhagen on my mind

Die größte Klimakonferenz aller Zeiten beherrscht inzwischen in Skandinavien in beeindruckender Weise das tägliche Leben, zumindest jedenfalls das tägliche Medienleben.

Gerade einen Blick auf die Webseite des Norwegischen Wetterdienst geworfen, das Wochenende steht vor der Tür, was bekommt man zu sehen: eine Umfrage wie die einzelnen Norwegischen Parteien zur Klimapolitik und zu den Kopenhagen-Verhandlungen stehen.

Kurz darauf sehe ich, dass die Klimabündnis-Idee der Klimastaffel auch in Schweden aufgegriffen wurde, veranstaltet vom schwedischen Naturschutzverbund und natürlich fokusierend auf Kopenhagen.

Vor einigen Tagen hat mir der regionale Tageszeitungsmarkt ein Déjà-vu-Erlebnis bereitet. Kurzer Einschub zum nordschwedischen Tageszeitungsmarkt: Es gibt in Norrbotten 2 regionale Tageszeitungen, die auflagenstärkere NSD ("Norrbottens Socialdemokraten") und der kleinere "Norrbottens Kuriren" . Beides sind parteinahe Medien, die NSD steht - welche Überraschung - den Sozialdemokraten nahe, der Kurieren den konservativen Moderaten von Staatsminister und derzeitigem EU-Vorsitzenden Reinfeldt.


Jedenfalls hat der Kuriren vor wenigen Tagen mit einer "Sensationsgeschichte" im Editorial geöffnet. Unter dem Titel "Zeit umzudenken" und mit einem halbseitigen Bild von Al Gore geschmückt versucht der Leitartikel zu beweisen, dass es den menschgemachten Treibhauseffekt gar nicht gibt.
In Wirklichkeit steuern die Sonnenflecken das Weltklima und die ganze "Klimahysterie" dient nur dazu dient die Freiheit der Menschen und das freie Unternehmertum einzuschränken.
Als Quelle diente dem gescheiten Mann genau ein populärwissenschaftliches Buch.

Einserseits fällt einem dazu, wenn man fast 20 Jahre in der "Branche" ist nicht mehr sehr viel mehr ein, als ein "Bitte nicht schon wieder".

Andererseits gibt es inzwischen 4 IPPC Reports, die auf den Forschungsergebnissen von über 4000 ForscherInnen weltweit beruhen, und umfassend das Gegenteil beweisen.

Auch spannend, da ja die aktuelle Schwedische Regierung und EU-Präsidentschaft, unter eben Führung der Moderaten, Klimaschutz und substantielle Ergebnisse in Kopenhagen zur mit Abstand wichtigsten Aufgabe der kommenden Monate erklärt hat.

Der gleiche Journalist hatte übrigens wenige Tage vorher geschrieben, dass die schwedische Politik der nächsten Jahre sich an Ronald Reagan ein Beispiel nehmen sollte, um erfolgreich zu sein!?!

Ich freue mich jedenfalls auf einen kommenden Beitrag, der endlich beweist, dass die Erde doch eine Scheibe ist.

Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage glauben übrigens auch über 70% der Schweden/innen, daß Klimaschutzfragen die nationale Reichstagswahl im September 2010 entscheiden werden. Das wäre doch etwas, das Österreich übernehmen könnte, meine ich.

Übrigens: nach dem aktuellen Countdown auf www.unfccc.int sind es jetzt gerade noch 107 Tage, 23 Stunden, 17 Minuten und ein paar Sekunden bis es in Kopenhagen wirklich "los geht".

Momentan ist nach allen Infos, die sich bei mir sammeln, ein ambitionierter Weltklimavertrag mit tiefgreifenden, verpflichtenden und sanktioniereten Emissionsreduktionszielen für die Industrieländer in der Post-Kyoto-Periode nach 2012 nach so wahrscheinlich wie die bekannte Geschichte mit dem Kamel und dem Nadelöhr, aber Gottseidank sind in der Geschichte ja doch schon Durchbrüche "Against all Odds" gelungen.
Hoppas det (Hoffen wir das)!

Tuesday, August 4, 2009

Vattenfall überall

Gestern in Vattenfalls Wasserkraftwerksmuseum in Porjus, einem kleinem Dorf 50 Kilometer nördlich von Jokkmokk gewesen, sehr beeindruckend in jeder Hinsicht. Zwischen dem ersten Kraftwerksbau, eben in Porjus 1915 und den 70er-Jahren hat man den gesamten Luleälv inklusive der beiden Quellflüsse Lilla und Stora Luleälv mit insgesamt 23 Kraftwerken auf der vollen Strecke "erschlossen".

Fast alle nordschwedischen Flüsse, die von den Bergen an der norwegischen Grenze Richtung südost zur Ostsee fließen wurden bis auf 4 geschützte Nationalflüsse in gleicher Weise ausgebaut. Die Basis dafür, dass Schweden heute offiziell einen einen fast 100 % CO2-freien Strommix hat - 50 % Wasserkraft, die andere Hälfte leider Kernkraft.

Der umfassende Kraftwerksbau über Jahrzehnte hat nicht nur entsprechende Spuren in der Landschaft hinterlassen - die samische Bevölkerung wurde übrigens in der gesamten Projektierung und Umsetzung nur sehr rudimentär gefragt oder einbezogen - sondern hat auch über Jahrzehnte Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung der Region geprägt. Nebenstehende Bevölkerungsstatistik von Porjus zeigt das mehr als eindrucksvoll.

Auch in der gesamten Gemeinde Jokkmokk, immerhin mit 19.000 Quadratkilometern so groß wie ganz Niederösterreich, ist die Bevölkerungzahl seit dem Abschluss der letzten Kraftwerksbauten von um 13.000 auf knapp 5.500 gesunken.Noch immer ist Vattenfall mit rund 600 Angestellten der größte Arbeitgeber in der Gemeinde. Deutlich zu sehen durch die große Zahl von Vattenfall-Dienstautos, die das Ortsbild mitprägen.

Beeindruckend auch die PR-Kapazität Schwedens größten - weiterhin 100 % staatlichen - Energiekonzerns. Nach dem Museumsbesuch hat man eine Bibliothek beisammen, die die umfangreichen Leistungen Vattenfalls im Klimaschutz dokumentieren sollen.
Broschüren, die CCS Carbon Capture and Storage - das unter Erde oder Meeresboden vergraben von Kohlendioxid - als große Zukunftshoffnung darstellen, Infohefte, die den wichtigen Beitrag der Kernkraft zum Klimaschutz erklären und vieles mehr, was dem interessierten Gast "Freude" machen soll.

Natürlich ist der Wasserkraftstrom aus der Region auch eine echte "Cash Cow" für den Konzern. Ähnlich wie bei den älteren Flusskraftwerke in Österreich werfen die längst ausfinanzieren Kraftwerke satte Gewinne ab, die auch entscheidende Beiträge für das schwedische Staatsbudget leisten.
Vielleicht doch keine so überragende Idee alles um jeden Preis privatisieren zu müssen?

Immerhin beschäftigt man sich angesichts der erhöhten Priorität für alles, was mit Klimaschutz zu tun hat auch mit Windkraftpotentialen im Fjäll und Nutzungsmöglichkeiten im Bereich der Kleinwasserkraft.

Möglicherweise doch einige Schritte in die richtige Richtung?

Kleiner Gag zum Schluss: Nebenstehende Uhr wurde so gestaltet, damit sich die Kraftwerksarbeiter daran gewöhnen am Nachmittag 14 Uhr, 15 Uhr etc. statt 2 oder 3 zu sagen. Wegen der in den rund um die Uhr hellen Sommermonaten notwendigen genauen Arbeitszeitplanung ohne Verwechslungsgefahr zwischen 3 Uhr in der Früh und 3 Uhr am Nachmittag!

Monday, July 27, 2009

Das Wetter ist ein Teil des Klimas

Gerade zurück von einer guten Woche Fjällwandern in der sozusagen näheren Umgebung von Jokkmokk. Wollten ursprünglich den Padjelantaleden gehen. Mit Hund - den "hat man hier einfach" und ich wollte seit 20 Jahren wieder einen, aber nie in der Stadt - darf man aber nicht durch den Nationalpark, also haben wir eine etwas südlichere Route gewählt:
4 Tage Richtung Westen bis über die norwegische Grenze, dann wieder retour, die Gipfeltour auf den Staika (siehe Bild) ist leider wegen Wetterumschwung ausgefallen.

Damit zum Wetter - beeindruckend mit welcher Kraft und Energie die Elemente wirken können. Die ersten Tage gut 25 Grad in den Bergen nördlich des Polarkreises, Sonnenbrand inklusive. Dann kurzfristiger Wetterwechsel und gewaltige Regenfälle.
Am vorletzten Tag haben sich binnen 3 Stunden kleine Bäche, die man normal mit einem Schritt überquert, zu reißenden Flüssen entwickelt, in die man beim queren - waten - bis zur Hüfte eintaucht.

Ein anschauliches Beispiel mit welchen Gewalten wir spielen, wenn wir auf das Klimasystem einwirken. Man erinnere sich an Goethes Zauberlehrling - passt glaube ich sehr gut zu allen aktuellen Klimadebatten.

Inzwischen geht natürlich auch die "große" Klimapolitik weiter, Kopenhagen schreitet näher und näher, die EU-Umweltminister haben sich in Åre in Mittelschweden - bekannt von der Alpin-Ski-WM - getroffen.
Auch Umweltkommissar Stavros Dimas und Vertreter der wichtigsten Arbeitsgruppen der aktuellen UNFCCC-Prozesse waren vor Ort.

Konkret geht leider weiterhin zu wenig weiter und das viel zu langsam. Informelle Bekräftigungen der bereits deklarierten Rahmen Ziele -plus 2 Grad-Ziel, minus 50% globale Emissionsreduktion, minus 80% für Industriestaaten und ein Einschwören der EU auf die globale Leadership-Rolle in den kommenden Verhandlungen blieben die einzigen Ergebnisse.

Übrigens: Klimabündnis hat bereits bei seiner Gründung 1987 (!) das 50%-Ziel festgeschrieben. Damals war Klimawandel für die meisten noch ein belächeltes Exotenthema.

Tuesday, July 14, 2009

Tierisches zum Klimawandel

Über den Einfluss des Klimawandels auf die traditionelle Rentierwirtschaft der Samischen Bevölkerung Nordskandinaviens habe ich in einem früheren Beitrag schon berichtet, heute geht es um andere "Tierchen".


Gerade in den letzten Tagen und Wochen wurden hier einige neue Studien und Ereignisse über Auswirkungen des Klimawandels auf die Fauna publiziert:

Zum einen macht eine neue, besonders aggressive Mückenart die mittelschwedischen Wälder unsicher. Speziell in der Provinz Dalarna, nahe der norwegischen Grenze, ist es in den letzten Wochen zu intensiven Überschwemmungen gekommen. Als Folge gibt es jetzt Millionen stechende Tierchen, Unterart "Überschwemmungsmücke", die die äußerst unangenehme Eigenschaft haben, auch bei Wind und direkter Sonneneinstrahlung - wo sich die "normalen Kolleginnen" zurückhalten - unbeeindruckt zu stechen.

Inzwischen hat das schwedische Umweltbundesamt selbst in Nationalparkgebieten teilweise eine chemische Bekämpfung der Brutplätze erlaubt und am unteren Dalaälven stornieren viele Urlaubsgäste die gebuchten Ferien.

Um bei Insekten zu bleiben: Auch FSME hat inzwischen Skandinavien erreicht. Bis vor einigen Jahren noch weitgehend unbekannt, wandern die Lebensräume der infizierten Zecken inzwischen immer weiter nach Norden. Nachdem in Schweden kaum jemand geimpft ist, eröffnet sich hier auch ein neuer Markt für die Pharmaindustrie.

Die aus heimischen Breiten gewohnte Panik hat jedenfalls bereits die Boulevardzeitungen wie Expressen und Aftonbladet erreicht, und ganzseitig vergrößerte Bilder von Monsterzecken zieren Artikel.

Wenden wir uns größeren Tieren zu. Die Wildschweinpopulation ist in Süd- und Mittelschweden binnen kaum 10 Jahren von ein paar Hundert Exemplaren auf angeblich über 100.000 gestiegen.

Auch hier wird Naturvårdsverket - das schwedische Umweltbundesamt - aktiv. Gerade läuft ein Testprogramm mit unterschiedlichen Fallensystemen an, um den Zuwachs einzudämmen. Wahrscheinlich schweinisch teuer.

Zum Schluss ins Wasser: Vor einigen Tagen wurde an der norwegischen Nordseeküste von überraschten Fischern ein 22-Kilo-Hai gefangen, der normalerweise nur im Mittelmeer anzutreffen ist.

High/Hai Time, um ernsthaft was gegen den Treibhauseffekt zu tun, sollte man denken.

Ich verabschiede mich jetzt für gut 2 Wochen und begebe mich in die Weiten des Fjälles in Schwedisch und Norwegisch Lappland.

Hoffe, so viel Weitblick zu bekommen, wie nebenstehendes Foto erwarten lässt!

Saturday, July 11, 2009

Sackgasse Ethanol

Schweden ist Weltmeister im Anteil von Umweltautos ("Miljöbilar") - nach eigener Definition. Leider ist die Realität nicht ganz so euphorisch zu sehen.
Unter Miljöbil - für den Ankauf gab es bis zum 30. Juni 10.000 Kronen, entspricht knapp 1000 €, Prämie - fallen einerseits Fahrzeuge, die weniger als 120g CO2 pro Kilometer ausstoßen, andererseits aber auch alle Ethanols (E85) Fahrzeuge und auch fast alle Erdgasautos.

120g CO2 pro Kilometer wäre halbwegs ok, das sind 4,5 Liter Diesel oder 5 Liter Benzin pro 100 Kilometer, in der Praxis entfällt der absolut größte Teil der neugekauften "Umweltautos" in die Kategorie Ethanol-Fahrzeuge.
Das hat nicht nur den entscheidenden Nachteil, dass man diese Autos zwar mit Ethanol fahren kann, aber keineswegs muss, die wirklichen Probleme wiegen noch deutlich schwerer.

Zum einen wurde damit ein Reservat für Treibstofffresser geschaffen, die 7-10 Liter verbrauchen und das mit Öko- bzw. Klimaschutz-Mascherl. Nicht ganz zufällig hier im Norden, da ja die kriselnde schwedische Auto-Industrie de facto nur große und sehr große Autos mit hohen Verbräuchen baut.

Zum anderen ist Ethanol, wie die meisten Agrotreibstoffe, an sich eine absolute Sackgasse, die nachhaltige Verkehrspolitik aufhält und die Lebenszeit von nicht mehr zeitgemäßen Fahrzeugen und Fortbewegungsarten verlängert.
Auch Schweden bezieht wie alle europäischen Länder seine Agrotreibstoffe, in diesem Fall und derzeit eben v.a. Ethanol zu über 90 % aus dem Ausland, Brasilien und China an der Spitze der Herkunftsländer.

Über die sozialen und ökologischen Folgen des Agrotreibstoffbooms könnte man viele Blogs schreiben. Ich empfehle zum Einlesen z.B. bei SwissAid: http://www.swissaid.ch/global/PDF/entwicklungspolitik/agrotreibstoffe/Position_Agrotreibstoffe_2009.pdf.

Einen draufgesetzt hat man vor kurzem indem der Verband der schwedischen Umweltautomobilisten - so ähnlich würde ich das übersetzen - einen Riesenkombi mit 7,5 Liter Ethanol-Verbrauch zum besten Umweltauto gekührt hat.

Das Problem ist, dass Schweden an sich ein Problem mit seinem Flottenverbrauch hat. Der ist der höchste in der ganzen EU und liegt 20 % über dem EU-Durchschnitt. Wie gesagt -ein Blick auf die Modellpalette der schwedischen Hersteller sagt warum.

Positives zum Schluss: Bezüglich Disziplin und Sicherheit ist es hier für den gelernten Österreicher ein Traum. 90 im Freiland, 110 auf Autobahnen und 98 % halten sich dran. Das reduziert zumindest auch den Verbrauch. 1-10 km/h Überschreitung kostet 1000 Kronen (100 €) Mindeststrafe und bei über 50 in einer 30-Zone ist der Führerschein für ein paar Monate weg. Verglichen mit den Zuständen in Österreich oder gar dem religiösen Festhalten der Deutschen an den tempolimitfreien Autobahnen, wo der Mann noch ein echter Mann sein kann ... eine echter Zivilisationsfortschritt.

Eines hab´ ich noch: Nach so viel Autozentriertheit: Von Wien nach Jokkmokk mit dem Zug geht gar nicht so schlecht: 2 Nächte und der Tag dazwischen. In Summe 38 Stunden mit nur 3x Umsteigen. Am ersten Abend von Wien nach Nürnberg, dann Nachtzug nach Kopenhagen, tagsüber nach Stockholm, zweiter Nachtzug Stockholm - Murjek, am zweiten Morgen ist man schon da. oebb.at liefert die direkte Verbindung umgehend. Grattis ÖBB!

Wenn es jemand ausprobieren will - stehe gerne für Reiseplanungsunterstützung zur Verfügung!

Wednesday, July 8, 2009

Passivhaus am Polarkreis?

Heute mit einem spannenden Projekt begonnen: Das Samische Rehab-Zentrum in Jokkmokk möchte sein Gebäude sanieren und das gleich im Passivhaus-Standard. Ich musste zuerst die Euphorie ein wenig einbremsen - voller Passivhausstandard wird unter den hiesigen Klimabedingungen nicht ganz leicht. Immerhin liegt die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur bei rund Null Grad Celsius. Immerhin durch den Klimawandel bereits auf gegen 2 Grad in den letzten Jahren gestiegen - sagen die Forscher.

Das wäre das erste Passivhaus im ganzen Län (ca. wie die Bundesländer in Deutschland oder Österreich), da gleich mit einem Sanierungs- statt einem Neubauprojekt zu beginnen ist vorsichtig formuliert sehr ambitiös.

Leichter umsetzbar und denkbar wäre ein klimaneutrales Haus mit thermischer Solaranlage am Dach und Bergwärmepumpe. Wärmepumpen sind hier sehr üblich und zumindest zu Ersatz oder Ergänzung der weitverbreitenden Stromheizungen auch sinnvoll.

Der Umgang mit Strom ist hier an sich noch etwas verbesserungsfähig. Strom ist an sich in Schweden billiger als in Mitteleuropa, Norrland hat nochmals günstigere Extratarife und Stromheizungen waren über Jahrzehnte beliebt und weit verbreitet. Erst in den letzten Jahren bestehen starke Bestrebungen (und auch Förderungen z.B. für den Umstieg auf Pellets), die Zahl der Stromheizungen deutlich zu reduzieren.
Als zusätzliches Argument gilt auch, dass der schwedische Strom entsprechend den gültigen offiziellen Definitionen CO2-neutral ist. Kommt zu ziemlich genau je 50 % aus Wasserkraft und Atomkraftwerken.

Ad Sicherheit von Reaktoren die Topmeldung des heutigen Tages aus dem Teletext des schwedischen Fernsehens SVT: In Ringhals, einem der 3 Kernkraftwerks-Standorte in Schweden gab es 2008 insgesamt 61 Zwischenfälle der höchsten Stufen 1 und 2. Deswegen wurde das Kraftwerk (gehört wie alles hier Vattenfall) bis auf weiteres unter besondere Aufsicht der entsprechenden schwedischen Sicherheitsbehörde gestellt.
Einmal mehr eine Bestätigung dafür, dass Anti-Atom auch weiterhin gleich wichtig ist wie Klimaschutz und Anti-Fossil und dass man beides keineswegs gegeneinander ausspielen darf!

Kleiner Abstecher weg von den Höhen und Tiefen der Klima- und Energiepolitik, Stichwort schwedisches Fernsehen:
Unglaublich aber wahr, das staatliche schwedische Fernsehen (SVT) sendet NICHT rund um die Uhr. Es gibt noch ein Testbild (ich konnte es beim ersten Mal wirklich nicht glauben) und es gibt absolut keine Werbeeinschaltungen in den beiden öffentlich-rechtlichen Programmen.
Wunder gibt es immer wieder ......

Werde weiter über den Fortgang des Passivhaus-Pilotprojektes berichten!

Thursday, July 2, 2009

5 Monate bis Kopenhagen

Wie berichtet sind die Weltklimapolitik und der Abschluss eines neuen internationalen Klimaschutzvertrages für die Zeit 2013 bis 2020 die definiert wichtigste Aufgabe für die Schwedische EU-Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2009.
Jedenfalls eine Herkules-Aufgabe, vielleicht auch etwas für Herrn Sisyphus.

Worum geht es dabei, ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Weltklimaverhandlungen und Konferenzen: 1992, beim Welt-Umwelt-Gipfel in Rio wurde eine Reihe von Rahmenkonventionen beschlossen, die eine nachhaltige Zukunftentwicklung sichern sollen, u.a. die Biodiversitätskonvention, die Konvention gegen Wüstenausbreitung und eben auch die Klimarahmenkonvention UNFCCC United Nations Framwork Convention on Climate Change.

Seit 1995 findet jährlich eine Weltklimakonferenz mit zwischen 8000 und 20.000 TeilnehmerInnen statt, nationale Delegierte und eine Vielzahl von VertreterInnen von Umwelt-NGOs, Wirtschaftslobbyisten etc.
1997 in Kyoto wurde der meist bekannte Klimaschutzvertrag ausverhandelt, das Kyoto-Protokoll. In Summe sieht das Kyoto-Protokoll eine Reduktion der Treibhausgasemissionen der Industriestaaten - betroffen sind 6 Gase, neben Kohlendioxid, auch Methan, Lachgas und 3 Industriegase - von minus 5,2 % zwischen 1990 und 2008/2012 vor.
Zusätzlich wurden die Reduktionsziele innerhalb der Industriestaaten sehr unterschiedlich aufgeteilt. Via zusätzliche EU-interner Verhandlungen bekam Österreich sein Kyoto-Ziel von minus 13 %, das wir nach jetzigem Stand der Dinge um satte 25 bis 30 % verfehlen werden.
De facto sind die österreichischen Emissionen deutlich gestiegen statt gesunken.

So weit, so gut. Die wichtigsten Probleme und Defizite:
1.) Minus 5 % Reduktion sind ein Bruchteil dessen, was zur Stabilisierung des Weltklimas notwendig ist, de facto wäre eine Reduktion des Kohle-, Gas- und Ölverbrauches der Industriestaaten mit rund 80 % notwendig.
2.) Es hat 8 Jahre gedauert bis Kyoto in Kraft getreten ist, die USA unter Bush haben nie ratifiziert.
3.) In Kyoto und bei den Folgekonferenzen wurden zehntausende Seiten Kleingedrucktes produziert, unzählige "Schlupflöcher", Tricks wie z.B. der Emissionshandel geschaffen, die alle den Vertrag weiter geschwächt haben.
Gesamt sind die Emissionen leider weltweit weiter gestiegen.

Worum geht es in Kopenhagen, bei der wohl größten Klimakonferenz aller Zeiten im Dezember 2009?
1.) Substanzielle Reduktionziele für die Industriestaaten in einer Größenordnung von minus 30 bis minus 40 % bis zum Jahre 2020.
2.) Einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern bezüglich massiven Reduktionzielen für die reichen Staaten und tragbaren Emissionsbeschränkungen für Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien oder Mexiko.
3.) Ein umfassendes Finanzierungsinstrument für die notwendige Anpassung an den Klimawandel in den armen Ländern dieser Welt. 2 Grad Temperaturerhöhung im globalen Durchschnitt sind bereits unvermeidlich und die Auswirkungen in vielen Teilen dieser Erde werden gewaltig sein.

Wenn man sich die derzeitigen Verhandlungpositionen der Staaten und Staatengruppen ansieht - leider wirklich eine fast unlösbare Aufgabe. Noch immer gilt das Verhandlungprinzip: wer sich zuerst bewegt hat verloren.

Um positiv zu schließen möchte ich ein symbolisches Denkmal für die vielen unbekannten Klimaverhandler setzen, die trotz höchster Schwierigkeiten und Blockaden in den Höhen und Tiefen der Weltpolitik seit Jahren unermüdlich, mit enormen Einsatz und gegen viele viele Rückschläge für ein tragfähiges und wirksames Weltklimaregime arbeiten. Z.B. Helmut Hojesky, seit 1995 Chefverhandler auf Beamtenebene der österreichischen Delegation. Helmut, falls Du diesen Blog je liest - Herzlichen Dank für Deinen Einsatz und bitte weitermachen!

Wednesday, July 1, 2009

Wir sind Präsident – auch in Kiruna

Mit 1. Juli hat Schweden die EU-Präsidentschaft übernommen und das erreicht auch uns in den Weiten Lapplands. Da viele bereits auf Urlaub sind – die Schulferien beginnen in Schweden bereits Mitte Juni, Mittsommer ist das wichtigste Fest des Jahres – darf ich die Gemeinde Jokkmokk bei einer der Startkonferenzen der Schwedischen EU-Präsidentschaft „Cross-border cooperation for dynamic labour markets“ in Kiruna vertreten.


Für alle die Kiruna im schulischen Geographie-Unterreicht versäumt haben: Kiruna ist die nördlichste Stadt Schwedens, rund 200 Kilometer jenseits des Polarkreises, wurde ab 1880 aufgrund des Eisenerzbergbaus künstlich errichtet und ist auch heute noch stark von der regionalen Bergbauindustrie dominiert.

LKAB, einer der größten Erzkonzerne Europas, bestimmt in vielerlei Hinsicht das Stadtbild.

Rein äußerlich durch die Reste der großen Tagbauanlagen – inzwischen gräbt man längst tief unter der Erde, genauso aber in der politischen, gesellschaftlichen und sozialen Struktur. In praktisch dem gesamten Land Norrbotten haben die Schwedischen Sozialdemokraten gemeinsam mit anderen verwandten Parteien deutliche Mehrheiten.


LKAB ist übrigens weiterhin zu 100 % Eigentum des Schwedischen Staates. Die Privatisierungdoktrinen, die Mitteleuropa in den 80er und 90er-Jahren bestimmt haben, sind hier spurlos vorübergegangen. Und: mein Eindruck ist, dass das kein Fehler war.


Da der Bergbau sich immer tiefer in tiefer unter die Stadt gräbt, steht die Übersiedlung großer Teile der Gemeinde innerhalb der nächsten 15 Jahre auf der Tagesordnung (siehe Bild). Das derzeitige Stadtzentrum würde sonst einfach wegrutschen. Die Gemeinde beschäftigt u.a. eine eigene Informationsmitarbeiterin, die ausschließlich dazu da ist Anfragen und Besuche von Nah und Fern bezüglich der Stadtübersiedlung zu betreuen. Die Kosten trägt – richtig – LKAB.


Kirunas Kirche wurde übrigens mehrfach zum schönsten Gebäude Schwedens gewählt. Jede/r kann gerne das obenstehende Bild betrachten und sich eine Meinung bilden.


Zurück zur EU-Präsidentschaft: Seit Tagen hört und liest man in allen Medien vielfach, dass der Klimaschutz und die Ergebnisse der Weltklimakonferenz im Dezember in Kopenhagen, bei der es um die Klimaschutz- und Emissionsreduktionsverpflichtungen für bis 2020 geht, das absolut wichtigste Thema des Schwedischen Vorsitzes sind. Trotz Wirtschaftskrise, Arbeitsmarktproblemen etc.


Eine fast unlösbare Herausforderung angesichts des aktuellen Verhandlungsverlaufes und der unterschiedlichen Positionen der einzelnen Staaten und Staatengruppen. Gelingt kein Kopenhagen-Ergebnis, so entsteht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein vertrags- und klimaschutzzielfreier Zustand nach Auslaufen des Kyoto-Protokolles 2012. Eine weitere Klimakatastrophe der internationalen Umwelt-Diplomatie.

Mehr zu den Kopenhagenverhandlungen in einem der nächsten Blogs.


Zum Abschluss 2 Bilder, die mehr als tausend Worte sagen:

"Catch them while they´re young" – Kinderspielplatz-Tankstelle in Kiruna und “Klimawandel live“ – Schneekanonen in Kiruna, weit nördlich des Polarkreises.

Saturday, June 27, 2009

Rentiere und Klimawandel

In den Jahren der Arbeit im Klimabündnis hatte ich sehr viel mit indigenen Völkern zu tun. Das Klimabündnis definiert sich ja als Partnerschaft - deswegen "Bündnis" europäischer Städte mit indigenen Regenwaldvölkern in Südamerika.

Schwerpunkte der Arbeit waren und sind u.a. der Regenwaldschutz, die Erhaltung traditioneller Lebensweisen, Kenntnisse und Wirtschaftsformen, indigene Landrechte und die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels in Amazonien.

In Nordeuropa leben die einzigen Indigenen Europas, die Samen. Ihr Lebensraum ist auf 4 Länder - Norwegen, Schweden, Finnland und Russland- verteilt. Wie schon im letzten Blog erwähnt, ist Jokkmokk eines der wichtigsten Zentren der Samischen Kultur - und auch Politik.

Für einen Neuzugewanderten wie mich sehr erstaunlich zu sehen, wie die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels in Kombination mit den Prioritäten des Wirtschaftsystems der industrialisierten Welt, in vielem parallel und vergleichbar zu den Erfahrungen mit den Klimabündnis-Partnern in Amazonien sind.

Nach derzeitigen Prognosen bedeuten 2 Grad plus im globalen Schnitt rund 4 bis 6 Grad plus für die subarktischen Regionen Nordskandinaviens. Bemerkung am Rande: und da müsste schon ein kleines verhandlungpolitisches Wunder bei der kommenden größten Weltklimakonferenz aller Zeiten (UNFCCC COP15) im Dezember in Kopenhagen passieren um die Erderwärmung auf diesem Niveau zu stabilisieren.

In Abisko, dem Mekka der Outdoor-Enthusiasten und Trogtalfans (siehe Foto vom Wahrzeichen der Gegend) wurde bereits ein Temperaturanstieg von rund 2 Grad in den letzten 20 Jahren gemessen.

Das bedeutet riesige Veränderungen für die Region und, für die traditionelle Samische Kultur und ganz speziell für die traditionelle Rentierhaltung - "Renskötsel".

Rentiere legen rund 250 km pro Jahr zurück, Winter, wie Sommer. Hier zählt man übrigens 8 Jahreszeiten nicht 4 wie in Mitteleuropa.

In den letzten Jahren sind immer mehr Routen die im Winter über zugefrorene Flüsse und Seen führen immer kürzer sicher für die Renherden passierbar.
Weiter besteht auch ein echtes Nahrungsproblem. Eine der Hauptnahrungsquellen der Rentiere ist die Rentierflechte (siehe Bild). Auch im Winter graben sich die Tiere durch den normalerweise leichten, pulvrigen Schnee und gelangen so zur Flechte. Da die Perioden mit Tauwetter und wieder Frost anschließend häufiger werden, kommt es immer öfter vor, dass die unterste Schneeschicht zu festem Eis wird und die Nahrung für die Tiere damit unerreichbar.

Übrigens: im Samischen (das sich in mehrere Dialekte mit großen Unterschieden teilt) gibt es 34 verschiedene Wörter für die einzelnen Schneeformen.

Auch die Samischen Landrechte für traditionelle Rentierhaltung könnten durch Klimawandel wieder gefährdet werden. Es gibt in Nordschweden eine definierte "Odlingsgränsen", ab der Landwirtschaft nicht mehr erlaubt ist und das Land für die Rentierzucht- und haltung reserviert ist. Samische Vertreter/innen befürchten bereits, dass mit Temperaturerhöhung und Verschiebung von Vegetationszonen diese Grenzen wieder in Frage gestellt werden könnten.

Aber auch im positiven, in Klimaschutzprojekten, liegt ein Konfliktpotenzial.

Viele in Vorbereitung stehende Windparkprojekte in Nordschweden verzögern sich, weil die Frage, ob die damit verbundene Beeinflussung der Zugrouten der Rentierherden zulässig ist, bei jedem Projekt in mehreren Instanzen geklärt werden muss.

Friday, June 26, 2009

Subarktischer Sommer

Fast nichts ist schwerer als mit einem Blog anzufangen, schließlich sollte man sich ja auch irgendwie vorstellen.
Ich heiße Wolfgang Mehl, habe rund 15 Jahre im Klimaschutz in Österreich gearbeitet, Klimabündnis Österreich in der Zeit aufgebaut und lebe nun mehr seit April genau am Polarkreis im sehr kleinen (EinwohnerInnen-Zahl 5400) bzw. sehr großen (Fläche 18.000 km2, das ist ziemlich genau Niederösterreich, NÖ hat zum Vergleich über 500 Gemeinden) Jokkmokk. Auch hier übrigens mit verschiedenen Klimaschutz und Energieprojekten beschäftigt.

Jokkmokk hat die größten Anteil an Nationalparks aller schwedischen Gemeinden (u.a. Sarek und Padjelanta) und produziert einen beachtliche Teil des schwedischen Stromes. Vattenfall was here, hat ordentlich gebaut und ist auch noch immer hier, rund 500 Menschen in der Gemeinde arbeiten direkt für Vattenfall, noch mehr indirekt.

Interessant in diesem Zusammenhang, dass die schwedische Stromproduktion, nach offizieller Definition jedenfalls, komplett "klimaneutral" ist. Ziemlich genau die Hälfte kommt aus
Wasserkraft. Bis auf 4 so genannte Nationalälven (national geschützte Flüsse) wurde seit den 50er-Jahren das gesamte System der von Nordwest nach Südost zur Ostsee verlaufenden Flusssysteme zur Energieproduktion umfassend erschlossen. Jokkmokk hatte in den 60er-Jahren vor allem wegen der Kraftwerksbauten ca. 2,5 mal so viel EinwohnerInnen wie heute.

Die andere Hälfte der Stromproduktion kommt übrigens aus Atomkraft. Die Einstellungen der schwedischen Bevölkerung zu Klimaschutz und Nuklearenergie ist, wenn man aus Österreich kommt, jedenfalls vorsichtig gesagt überraschend. Die Sorge vor den Auswirkungen des Klimawandels ist so groß, dass dafür die Nutzung von Kernenergie als kleineres Übel in Kauf genommen wird.
Entsprechend hat die derzeitige konservative schwedische 4-Parteien Regierungskoalition im heurigen Frühjahr auch einen Ausstieg aus dem Nuklearausstieg beschlossen und weiß laut Umfragen 2 Drittel der Bevölkerung hinter sich.

Gerade jetzt ist jedenfalls ordentlich regionale Klimaerwärmung angesagt. Direkt am Polarkreis gibt es seit Tagen ausschließlich strahlenden Sonnenschein, die Temperaturen haben 25 Grad überschritten und nähern sich selbst hier im Inland der 30-Grad-Grenze.

Ein wenig zur Auswirkung des Klimawandels auf die traditionelle Rentierzucht der Samischen indigenen Bevölkerung hier - Jokkmokk ist auch das größte Samische Zentrum in Schweden - im nächsten Blog.