Tuesday, September 29, 2009

Das große Klimakarussell

Klimaverhandler reisen viel, speziell im heurigen Jahr. Das UNFCCC hat, um die Chancen auf einen Vertragsabschluss in Kopenhagen zu erhöhen, die Zahl der Zwischentreffen, der sogenannten "Subsidiary bodies", für 2009 verdoppelt.
Man verhandelt gerade jetzt - das letzte Treffen vor Kopenhagen - in Bangkog. Neben Bonn, wo aufgrund des Sitzes des UN-Klimasekretariats die meisten Meetings stattfinden, standen 2009 u.a. Kiev, Havanna, Singapore, Kairo, Dar-es-Salam, Barcelona und Stockholm am Programm. Dazu kommen natürlich noch die verschiedenen internen Treffen der Staatengruppen wie zB die EU-Ministerräte sowie High-Level-Events wie die UN-Vollversammlung oder der G20-Gipfel.
Die große Zahl an Verhandlungsrunden führt unweigerlich zur Frage: Warum kommt so wenig dabei raus?
Kaum ein/e Politiker/in weltweit, der/die nicht die höchste Priorität von Klimaschutz und Ergebnissen in Kopenhagen betont. Kein Tag, an dem nicht neue Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, dass der Klimawandel sich weiter beschleunigt und wir genau jetzt umfassend unsere Emissionen reduzieren müssen um die Erderwärmung in der Nähe von 2 Grad plus einzubremsen statt 5 bis 6 Grad zu riskieren.

Warum ist der ganze Klimaverhandlungsprozess trotzdem so träge und zäh?
Der Versuch einer persönlichen Antwort:
Zum einen gilt seit der ersten Klimakonferenz in Berlin 1995 das Einstimmigheitsprinzip. D.h. jedes teilnehmende Land hat ein de facto Vetorecht. Der Tagesordnungspunkt "Rules of procedure" wird seit 14 Jahren zur nächsten Konferenz vertagt, weil vor allem die OPEC-Länder sich eine Einigung auf Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit so teuer wie möglich - bedeutet praktisch viel Geld und wenig Klimaschutz - abkaufen lassen wollen.
Zum zweiten ist der gesamte Prozess zu einem praktisch unüberschaubaren Moloch von Themen, Verhandlungsebenen, Interessensgruppen und Gremien gewachsen. Das Kyoto-Protokoll hatte 1997 rund 80 Seiten, inzwischen sind viele tausend Seiten "Kleingedrucktes" dazugekommen.
Alle Details - Emissionshandel und Senken, Ausnahmen für den Flugverkehr und Anrechunung von Projekten im Ausland (CDM, JI), Technologietransfer und Waldschutz - sind bis jetzt eigentlich ausschließlich dazu verwendet worden, bestehende geringe Klimaschutzverpflichtungen weiter abzuschwächen.
Zum dritten der scheinbar unlösbare Konflikt zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die ersteren meinen - stark vereinfacht, aber völlig zu recht - die reichen Länder des Nordens haben eine aktuelle und historische Verantwortung für den Klimwandel, also müssen von dort auch umfassende Emissionsreduktionen nachweisbar kommen, bevor über eine Einschränkung der Emissionen der Entwicklungsländer auch nur verhandelt werden kann.
Der "Norden" argumentiert dann gerne mal, dass Klimawandel ein globales Problem ist, zu dessen Lösung alle beitragen müssen.
Zuletzt bleibt leider zu konstatieren, dass die Grundtaktik des Klimaverhandelns noch immer davon geprägt ist, dass, wer als erster Klimaschutzverpflichtungen für sein Land annimmt, als "Verlierer" in den laufenden Verhandlungen gesehen wird. Die Grundregel lautet: Ja keinen Millimeter bewegen, bevor sich nicht die anderen bewegen.
Sehr schön in der derzeitigen Phase der Kopenhagen-Vorgespräche zu sehen: Es gibt einen Basis-Verhandlungstext mit vielen hundert Seiten als Grundlage für ein Post-Kyoto-Klimaschutz-Abkommen. Dieser Text besteht aus allen Formulierungen, die von allen Staatengruppen hineinreklamiert wurden und sich deswegen zum Teil völlig widersprechen. Momentan sagen alle: "Wir müssen ganz dringend den Text massiv reduzieren, damit ein Ergebnis in Kopenhagen möglich ist, aber meine Vorschläge müssen unbedingt drinnen bleiben."
Ceterum censeo: Wir brauchen ein Kopenhagen-Weihnachtswunder.