Friday, November 27, 2009

Kopenhagen: warten auf ein Wunder

Seit der vorletzten UN-Klimakonferenz in Bali im Dezember 2007 weiß es die ganze Welt: Der Weltklimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 wird der wichtigste in der Geschichte der Klimaverhandlungen. Ein neues, ehrgeiziges und ambitioniertes Klimaabkommen soll beschlossen werden, das weit über die Kyoto-Ziele hinaus geht und die Weltklimapolitik bis 2020 bestimmen soll.

Eckdaten dieses neuen Abkommens sollen eine Stabilisierung der globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad plus über dem vorindustriellen Niveau, eine gerechte Lastenverteilung zwischen Industrie- und Schwellenländern sowie eine umfassende Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt sein.



Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Zahl der Zwischenverhandlungen und Unterarbeitsgruppen zu Klimarahmenkonvention und Kyoto-Protokoll erst verdoppelt. Dann immer weiter erhöht. Seit Monaten konferieren die zuständigen Beamten der Vertragsstaaten fast ohne Pause. Der schwedische EU-Vorsitz unter dem konservativen Premier Reinfeldt hat ein ambitioniertes Kopenhagen-Abkommen zum mit Abstand wichtigsten Ziel der Präsidentschaft erklärt, zumindest die schwedische Bevölkerung unterstützt laut Umfragen trotz Wirtschaftskrise diese Priorisierung.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Studien und Berichte veröffentlicht werden, dass der Klimawandel rapider voranschreitet als die schlimmsten IPCC-Szenarios prognostizieren, oder dass die Arktis schneller schmilzt als in allen Berechnungen kalkuliert wurde.

Trotzdem stehen die Verhandlungen wenige Wochen vor dem Beginn der größten Klimakonferenz aller Zeiten vor dem totalen Scheitern und die politischen Schwergewichte der Welt beginnen mit massivem Zurückschrauben der Erwartungen einer völligen Blamage vorzubeugen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach Ende Oktober in Seattle: "Nach Kopenhagen können wir vielleicht nicht erwarten, in allen Punkten übereinzustimmen", schränkte er ein. "Aber wir sollten eine weitgehende Übereinstimmung haben." So sieht ein Begräbnis erster Klasse aus.

Auch der höchste derzeitige EU-Verhandler auf politischer Ebene, Schwedens Umweltminister Andreas Carlgren, sprach wenige Tage vor Ban Ki Moon bereits von Klimaschutzzielen, die sich nicht mehr auf absolute Emissionsreduktionen beziehen, sondern auf Business as usual-Szenarios. Genau jenes Prinzip, das das EU Emissionshandelssystem zum völligen Versagen geführt hat.

Auch die Hoffnungen auf die „neue“ US-Klimapolitik unter Obama haben sich bis jetzt nicht erfüllt. Substanzielle Ziele oder gar Zahlen sind scheinbar ein völliges Tabu in allen verwendeten Formulierungen der US-Delegationen. Persönlich habe ich eine US-Delegation in Kiruna, Nordschweden getroffen, auf Charme-Offensive im aktuellen EU-Präsidentschaftsland. Besonders stolz war man auf ein Joint Venture zur Umstellung von Kampfflugzeugen auf Agro-Kerosin. Peinlich.

Momentan steht die „neue“ US-Klimapolitik bei „Yes, maybe we could“, von „Yes, we can“ ist nichts zu sehen.

Ein letztes Glied in der Kette der wenig erfreulichen Vorzeichen war das Scheitern der EU sich auf einen zumindest EU-intern abgestimmten Vorschlag zur Finanzierung der notwendigen Anpassungsmaßnahmen in den Ländern des Südens zu einigen. Zu viele Länder, an der Spitze die neueren EU-Mitglieder waren der Meinung, dass man das Geld doch lieber bei ihnen zu Hause einsetzen sollte. Wenige Wochen vor Kopenhagen eine gewaltige Provokation für die G77, wie der Zusammenschluss der Entwicklungs- und Schwellenländer in den Klimaverhandlungen genannt wird.

Warum ist es so schwer ein substanzielles Abkommen zustande zu bringen, wo doch fast alle überzeugt sind, dass es um entscheidende Zukunftsfragen der Menschheit geht?

Im Vordergrund steht ganz zentral der scheinbar unlösbare Konflikt zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die ersteren meinen - stark vereinfacht, aber völlig zu recht - die reichen Länder des Nordens haben eine aktuelle und historische Verantwortung für den Klimawandel, also müssen von dort auch umfassende Emissionsreduktionen nachweisbar kommen, bevor über eine Einschränkung der Emissionen der Entwicklungsländer auch nur verhandelt werden kann. Davon war und ist bisher nichts zu sehen, weder in Verträgen noch in Zahlen und Bilanzen.

Der "Norden" argumentiert dann gerne mal, dass Klimawandel ein globales Problem ist, zu dessen Lösung alle beitragen müssen. An der Grenze zum Zynismus nach meiner persönlichen Auffassung.

Zusätzlich ist zu konstatieren, dass die Grundtaktik des Klimaverhandelns noch immer davon geprägt ist, dass, wer als erster Klimaschutzverpflichtungen für sein Land annimmt, als "Verlierer" in den laufenden Verhandlungen gesehen wird. Die Grundregel lautet: Ja keinen Millimeter bewegen, bevor sich nicht die anderen bewegen.

Sehr schön in der derzeitigen Phase der Kopenhagen-Vorgespräche zu sehen: Es gibt einen Basis-Verhandlungstext mit vielen hundert Seiten als Grundlage für ein Post-Kyoto-Klimaschutz-Abkommen. Dieser Text besteht aus allen Formulierungen, die von allen Staatengruppen hineinreklamiert wurden und sich deswegen zum Teil völlig widersprechen. Momentan sagen alle: "Wir müssen ganz dringend den Text massiv reduzieren, damit ein Ergebnis in Kopenhagen möglich ist, aber meine Vorschläge müssen unbedingt drinnen bleiben."

Inzwischen ist vor lauter Taktieren die Zeit bereits zu knapp geworden, dass dich dieser Prozess rein verhandlungstechnisch noch ausgeht.

Nach allen Prognosen wird Kopenhagen einen losen Rahmen von Absichtserklärungen für die Post-Kyoto-Klimapolitik bringen, ohne konkrete und bindende Verpflichtungen. Eine bewährte PR-Maschinerie wird versuchen, das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen und minimale relative Klimaschutz-Verpflichtungen als große Leistung der Industrieländer des Nordens zu verkaufen.

Meine unter diesen Gesichtspunkten ganz persönliche Meinung zum Kopenhagen-Ergebnis: Wenn nicht noch ein riesiges Weihnachtswunder passiert, ist es besser KEIN Abkommen zu haben und Kopenhagen möglichst laut und aufrüttelnd scheitern zu lassen, als ein schlechtes und schwaches Abkommen, dass die Weltklimapolitik dann bis 2020 prägt. Vielleicht ist ja dann globales Aufwachen angesagt.

1 comment:

Margit said...

Lieber Wolfgang, halte durch und kommentiere weiter! Wunder sind leider keine Sache der Politik ... Alles Gute!
Margit