Saturday, June 27, 2009

Rentiere und Klimawandel

In den Jahren der Arbeit im Klimabündnis hatte ich sehr viel mit indigenen Völkern zu tun. Das Klimabündnis definiert sich ja als Partnerschaft - deswegen "Bündnis" europäischer Städte mit indigenen Regenwaldvölkern in Südamerika.

Schwerpunkte der Arbeit waren und sind u.a. der Regenwaldschutz, die Erhaltung traditioneller Lebensweisen, Kenntnisse und Wirtschaftsformen, indigene Landrechte und die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels in Amazonien.

In Nordeuropa leben die einzigen Indigenen Europas, die Samen. Ihr Lebensraum ist auf 4 Länder - Norwegen, Schweden, Finnland und Russland- verteilt. Wie schon im letzten Blog erwähnt, ist Jokkmokk eines der wichtigsten Zentren der Samischen Kultur - und auch Politik.

Für einen Neuzugewanderten wie mich sehr erstaunlich zu sehen, wie die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels in Kombination mit den Prioritäten des Wirtschaftsystems der industrialisierten Welt, in vielem parallel und vergleichbar zu den Erfahrungen mit den Klimabündnis-Partnern in Amazonien sind.

Nach derzeitigen Prognosen bedeuten 2 Grad plus im globalen Schnitt rund 4 bis 6 Grad plus für die subarktischen Regionen Nordskandinaviens. Bemerkung am Rande: und da müsste schon ein kleines verhandlungpolitisches Wunder bei der kommenden größten Weltklimakonferenz aller Zeiten (UNFCCC COP15) im Dezember in Kopenhagen passieren um die Erderwärmung auf diesem Niveau zu stabilisieren.

In Abisko, dem Mekka der Outdoor-Enthusiasten und Trogtalfans (siehe Foto vom Wahrzeichen der Gegend) wurde bereits ein Temperaturanstieg von rund 2 Grad in den letzten 20 Jahren gemessen.

Das bedeutet riesige Veränderungen für die Region und, für die traditionelle Samische Kultur und ganz speziell für die traditionelle Rentierhaltung - "Renskötsel".

Rentiere legen rund 250 km pro Jahr zurück, Winter, wie Sommer. Hier zählt man übrigens 8 Jahreszeiten nicht 4 wie in Mitteleuropa.

In den letzten Jahren sind immer mehr Routen die im Winter über zugefrorene Flüsse und Seen führen immer kürzer sicher für die Renherden passierbar.
Weiter besteht auch ein echtes Nahrungsproblem. Eine der Hauptnahrungsquellen der Rentiere ist die Rentierflechte (siehe Bild). Auch im Winter graben sich die Tiere durch den normalerweise leichten, pulvrigen Schnee und gelangen so zur Flechte. Da die Perioden mit Tauwetter und wieder Frost anschließend häufiger werden, kommt es immer öfter vor, dass die unterste Schneeschicht zu festem Eis wird und die Nahrung für die Tiere damit unerreichbar.

Übrigens: im Samischen (das sich in mehrere Dialekte mit großen Unterschieden teilt) gibt es 34 verschiedene Wörter für die einzelnen Schneeformen.

Auch die Samischen Landrechte für traditionelle Rentierhaltung könnten durch Klimawandel wieder gefährdet werden. Es gibt in Nordschweden eine definierte "Odlingsgränsen", ab der Landwirtschaft nicht mehr erlaubt ist und das Land für die Rentierzucht- und haltung reserviert ist. Samische Vertreter/innen befürchten bereits, dass mit Temperaturerhöhung und Verschiebung von Vegetationszonen diese Grenzen wieder in Frage gestellt werden könnten.

Aber auch im positiven, in Klimaschutzprojekten, liegt ein Konfliktpotenzial.

Viele in Vorbereitung stehende Windparkprojekte in Nordschweden verzögern sich, weil die Frage, ob die damit verbundene Beeinflussung der Zugrouten der Rentierherden zulässig ist, bei jedem Projekt in mehreren Instanzen geklärt werden muss.

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