Tuesday, September 25, 2007

Monsun in Kalkutta und den Sunderbans

Als respect mich letzte Woche fragte, ob ich von meinen Eindrücken und Erfahrungen bzgl. Klimawandel im LOG Book berichten möchte, habe ich zurückhaltend reagiert. Ich bin erst vorigen Mittwoch in Kalkutta angekommen und ich war mir nicht sicher, ob meine Arbeit und die notwendige Sozialisierung mir genügend Freiraum lassen würden. Zu diesem Zeitpunkt bot mir die Hauptstadt des indischen Bundesstaates West-Bengalens jedoch noch gewohnte Eindrücke: die mittagliche Hitze, das bunte und geräuschvolle Treiben auf den Straßen, der Verkehr und ab und an ein Regenschauer.

Nach dreitägigen Regenfällen wateten aber gestern abend Menschen vor meiner Haustür durch knietiefes Wasser (siehe Artikel im Telegraph). Man kennt diese Bilder aus Kalkutta und für viele Leute hier schien es nicht so spektakulär zu sein wie für mich. Ob es ein Resultat des Klimawandels ist, oder ob eher das marode Kanalisationssystem verantwortlich ist, meine Neugier geweckt: Was ist dran am Klimawandel?

Ich heiße Marcus Bauer und bin derzeit für den indischen Reiseveranstalter und Consultant Help Tourism tätig. Daneben fröhne ich meiner journalistischen Ader mit Wort und Bild. Nach einem mehrmonatigen Praktikum bei respect in Wien und einem Forschungsaufenthalt in Indien, habe ich Mitte diesen Jahres mein Masterstudium Nachhaltiger Tourismus abgeschlossen.

Letzte Woche war das Boot zweier Bekannter in den Sunderbans im Sturm leckgeschlagen und beinahe gekentert. Die Jungs hatten sich durch jahrelange Beschäftigung im Team eines Tourismusprojektes genug Geld zusammengespart, um sich mit einem Boot selbständig zu machen. Transfers und Cruises in den Nationalpark wollten sie anbieten. Jetzt sind sie gerade nochmal mit einem blauen Auge davongekommen und können weiter an der Verwirklichung ihres Traumes arbeiten. Am Tag darauf erhalte ich wieder Berichte von drei gekenterten Booten. Meine Kollegen erachten das nicht als ungewöhnlich für diese Jahreszeit und die Region. In den Sunderbans, größter Mangrovenwald der Welt im weltweit größten Flussdelta, ist Klimawandel momentan das Thema. Zwei Inseln sind angeblich schon verschwunden (siehe Artikel BBC News). Es wird viel geschrieben, geforscht und große Umwelt-NGOs geben sich die Klinke in die Hand. Inwieweit Klimawandel auch für die lokale Bevölkerung ein Thema ist, hoffe ich bald bei einem persönlichen Besuch herauszufinden.

Über seine Eindrücke bzgl. Klimawandel in Kalkutta, ca. 150 km nördlich der Sunderbans gelegen, hat mir heute morgen der 65-jährige Partha De Sarkar, ein Offizier der Indischen Airforce im Ruhestand, berichtet. Früher habe es einen permanenten Winterregen von ca. 6 Wochen gegeben. Er erinnert sich an abgesagte Cricket-Spiele in Eden Garden. Heute sei dieser dauerhafte Regen faktisch verschwunden. Auch der Monsun als durchgehende Jahreszeit sei nicht mehr da. Heute regne es eine Woche, danach sei es wieder trocken, worauf wieder Regen folgt. Regenfälle gebe es nur noch bei Tiefdruckgebieten. Diese hätten zwar früher den Monsun eingeläutet, er habe aber danach auch bei Hochdruck angehalten. Auch sei der Winter wärmer geworden. Temperaturen von 5 Grad Celsius hätte er schon lange nicht mehr erlebt, ebenso wenig einen Pullover benötigt. Statt Kälte bestünde der Winter heute nur noch aus dickem Nebel. Das ganze Klimamuster habe sich verändert. Auf den immer trockener werdenden Sommer folge ein unbedeutender Winter, darauf wieder der Sommer.

Marcus Bauer

Kalkutta, 25. September 2007

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