Wednesday, November 14, 2007

Nächster Halt: Malda

Fast sieben Stunden lang haben wir uns im Linienbus von Siliguri ins 270 km entfernte Malda durchschütteln lassen. Die Strasse hat schwer gelitten unter dem Hochwasser, das im Sommer weite Teile Ostindiens heimgesucht hatte. An einer beschädigten Brücke, die nur noch die Belastung von einem Fahrzeug pro Überquerung aushält, haben wir 488 LKW gezählt. Mit dem Zählen hatten wir erst nach einigen Minuten Fahrt entlang dem Stau angefangen. Es müssen wohl weit über 700 gewesen sein.

Am nächsten Abend sitzen wir in gemütlicher Runde vor dem Hotel, als ein Bus auf das Grundstück einbiegt. Eigentlich nicht ungewöhnlich, hätte der Bus nicht ein belgisches Kennzeichen. Als die Tür geöffnet wird steigen 16 Menschen weißer Hautfarbe aus, es ist definitiv kein Asiate darunter. Des Rätsels Lösung: Die britische Agentur OzBus bietet die Extrem-Alternative zum Fliegen an. Einen regulären Linienbus-Service zwischen London und Sydney – und zurück. 10.000 Meilen, über 16.000 km. Ganz gemütlich Überland – von England nach Frankreich, weiter über Deutschland, Tschechien, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Türkei, den Iran, Pakistan nach Indien – bis nach Malda eben.

Seit 9 Wochen seien sie bereits unterwegs, teilt mir ein junger Mann namens Scooby mit. Oder waren es nur acht – er weiß es nicht mehr so genau. Die Reisenden zeichnen sich nicht gerade aus durch Mitteilungsdrang – vielleicht sind sie zu müde, vielleicht haben sie schon zuviele (und vermutlich immer die gleichen) Fragen beantworten müssen. Das Essen bestellen sie sich auf ihr Zimmer – mit Ausnahme eines Mannes, der etwas abseits im Restaurant in einen Roman vertieft ist. Und Marcus, dem Reiseleiter. Ihm war am Vorabend bei den Feierlichkeiten zu Diwali, dem großen indischen Fest, ein Feuerwerkskörper in der Hand explodiert und hat eine üble Brandblase hinterlassen. Die Tatsache, dass ich in Begleitung einer Krankenpflegerin reise, versichert uns seiner Gesellschaft beim Abendessen.

Der Trip findet erst zum zweiten Mal statt – die letzte Gruppe habe eine Woche Vorsprung, erzählt er. Er selbst genieße die Reise sehr und es wird auch nicht seine letzte sein. Was ist schon dabei einige Monate (vielleicht Jahre) seines Lebens in einem Linienbus zu verbringen. Die Reisegruppe rekrutiert sich ausschließlich aus dem angelsächsischen Raum – 50 Prozent Briten, ein Drittel Iren und der Rest “Aussies” und “Kiwis”. Die ganze Fahrt habe bisher super geklappt, die Stimmung im Bus sei gut – nur ein Mitfahrer habe unterwegs aufgegeben.

Die Reise wird immer wieder für ein paar Tage zum Sightseeing unterbrochen. Gerade war die Truppe für zwei Tage in Darjeeling – mit einem Jeep, weil das einfacher ist den Berg hoch. Ein Teil der Gruppe ist schon in Kadmandu ausgestiegen und wird auf anderem Weg nach Kalkutta nachkommen (ob sie die Extremität der Reise durch einen Kontinentalflug abschwächen vermag er nicht zu sagen, das sei deren Ding). Ohnehin sei zumindest bei dieser Fahrt nicht ohne Flug auszukommen. Die eigentlich geplante Route über Tibet/China und Laos nach Thailand musste gestrichen werden, weil die Pass-Straßen zu eng für den Bus seien. Mein Begleiter, ein Reiseveranstalter mit Spezialgebiet Nordost-Indien, schlägt die Alternativroute über das Brahmaputra-Tal, Manipur und Birma/Myanmar vor. Marcus macht sich fleißig Notizen und ist ganz aufgeregt, diese guten Nachrichten (es geht also doch!) seinem Chef zu übermitteln.

Für diesen Trip heißt die Route Kalkutta-Bangkok per Flugzeug, von wo aus es mit einem anderen Bus weitergeht über Malaysia, Indonesien, Ost-Timor nach Australien – wenn nichts dazwischenkommt.

Marcus wird von Kalkutta aus mit dem Bus zurückfahren nach England. Ob er unserer Einladung nach Siliguri folgen wird, bleibt abzuwarten. Es gäbe genug Gesprächsstoff für mehrere Abendessen.

Katharina, wirst du jetzt deinen Rückflug stornieren?

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