Wolfgang Mehl aus Kopenhagen
Kopenhagen ist gescheitert. Die größte Klimakonferenz aller Zeiten endet mit einem Minimalkompromiss, der nur als Klimakatastrophe bezeichnet werden kann.
Ein afrikanischer Delegierter, der vor mir stehend Präsident Obamas Pressekonferenz am Bildschirm verfolgte, brachte es mit der gleichzeitig geschriebenen SMS auf den Punkt "We have lost". Verloren haben alle, vor allem aber die am schwersten vom Klimawandel betroffenen ärmsten Länder dieser Erde.
FAB sollte es sein, das Kopenhagener Klimaschutzabkommen, fair ambitiös und bindend. Geblieben ist eine vage politische Deklaration ohne konkrete Ziele und Verpflichtungen. Ihre Reduktionsziele bis 2020 dürfen sich die Industriestaaten nach einem "wer hat Lust zu ein bisserl freiwilligem Klimaschutz" mehr oder minder selber aussuchen. Zahlen müssen bis 1. Februar 2010 genannt werden.
Das Gesamtziel "minus 80 Prozent Treibhausgasemissionen" für die Industriestaaten gesamt bis 2050 ist im letzten Moment völlig aus dem Text entfernt worden.
Der Waldschutz und viele weitere wichtige Fragen wurden vertagt.
Ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag könnte bis zur COP16 Ende 2010 stehen, aber auch das ist nur eine Absichtserklärung.
Einzig die Zusage von je 30 Milliarden $ Soforthilfe per Jahr 2010-2012 und 100 Milliarden per Jahr ab 2020 für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in den Entwicklungsländern bleiben als Pluspunkte über.
Letztendlich wurder der Copenhagen Accord auch im Schlußplenum von vielen AOSIS, lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten abgelehnt und konnte nur in der schwächst denkbaren Form "the Conference takes note of" beschlossen werden. Der berechtigte Widerstand vieler Länder musste dokumentiert werden.
120 Staats- und Regierungschefs fahren mit leeren Händen nach Hause. Die "Copenhagen Accords" sind ein verzweifelter, aber missglückter Versuch mit einer äußerst schwachen politischen Abschlussdeklaration das Gesicht zu wahren.
Ein "Fossil of the Day" haben sich sehr viele redlich verdient.
Nach meiner persönlichen Überzeugung wäre ein klares und lautes Scheitern besser gewesen als dieser Katastrophen-Kompromiss.
Das hätte vielleicht ein kollektives Aufwachen und komplett neue Ansätze ermöglicht. Z.B ein globales Kohlenstoff-Budget, berechnet entsprechend dem maximal-2-Grad-Ziel, das zu gleichen Teilen auf alle Menschen aufgeteilt wird.
Saturday, December 19, 2009
Gescheitert
Friday, December 18, 2009
Kopenhagen - die letzten Stunden beginnen
Parallel zum gerade begonnen informellen High Level Plenary mit 120 Staats- und Regierungschef, das allgemein als entscheidend betrachtet wird, dominieren Gerüchte das Kopenhagener Bella Center.
Angesichts der längst eingestandenen Unmöglichkeit, hier in Kopenhagen einen völkerrrechtlichen bindenden Klimavertrag für die Zeit nach Auslaufen des Kyoto-Vertrages zu erzielen, fokusiert sich die Arbeit auf eine mehr oder weniger bindende politische Deklaration, die dann im Laufe des Jahres 2010 in einen Vertrag umgewandelt werden soll.
Die Gefahr ist groß, dass eine 2-seitige Schlußdeklaration zusammengestellt wird, die gerade mal das 2-Grad-Ziel festschreibt und eine 100 Milliarden $ Finanzierung für Klimaschutz- und Anpassung in den Entwicklungsländern verspricht.
Konkrete Reduktionsziele bis 2020 für Industrieländer kommen möglicherweise in dieser politischen Deklaration (auch der Titel des Dokuments ist weiterhin umstritten) gar nicht vor, entscheidende Fragen wie der Waldschutz oder die Flugverkehrsemissionen werden wohl jedenfalls vertagt.
Brasiliens Präsident Lula hofft auf ein Wunder in den letzten Stunden, Hugo Chavez meint, wohl zu Recht "Wäre das Klima eine Bank, wäre es gerettet worden".
US-Präsident Obamas Rede bringt wenig Neues, es bleibt beim "Angebot" 17 % Reduktion zu 2005, was gerade mal 4 % auf Basis 1990 sind. Der entscheidende Punkt ist die externe Prüfung der Emissionsentwicklung der Schwellenländer, de facto die Machtfrage zwischen China und den USA.
Ein langer Tag und wohl eine lange Nacht stehen noch bevor.
Thursday, December 17, 2009
Chaos in Kopenhagen – Konferenzausgang ungewiss
Wolfgang Mehl aus Kopenhagen
Am vorletzten Tag der größten Klimakonferenz aller Zeiten beherrschen Unsicherheit, Nervosität, allgemeines Blockieren und Chaos auf vielen Ebenen das Konferenzleben.
Der Zugang für Oberserver und NGOs wurde aus „Kapazitäts- und Sicherheitsgründen“ für die letzten beiden Konferenztage auf symbolische 300 VertreterInnen (inklusive der Industrie-Lobbyisten) eingeschränkt.
Der Autor dieser Zeilen ist einer dieser letzten Mohikaner.
Die Arbeitspapiere der Hauptgruppen (AWG-LCA und AWG-KP), die am Freitag von den Vorsitzenden vorgelegt wurden, sind inzwischen mehrfach überarbeitet und erweitert worden.
Insgesamt sind die Texte deutlich schwächer und weniger konkret als Ende der ersten Verhandlungswoche.
Jeder Versuch über relative Klimaschutzziele für die Entwicklungsländer zu sprechen bevor konkrete Zahlen für die Verpflichtungen der Industrieländer am Tisch liegen, werden von ersteren strikt abgelehnt.
Verständlich angesichts der provokanten Nicht-Übernahme von Verantwortung seitens der reichen Länder dieser Erde in den Jahren seit Kyoto 1997.
Die bisher vorgelegten Reduktionsverpflichtungsangebote der Industriestaaten reichen gerade mal für 15 bis 20% weniger Treibhausgase bis 2020. Zahlen die zu 3 bis 4 Grad Erderwärmung statt der maximal erträglichen von 2 Grad führen.
Eine schwer zu lösende Patt-Situation und eine große Gefahr dass Freitagnacht eine Matt-Situation für das Weltklima als Ergebnis entsteht.
Eventuell durch eine schwache politische Absichtserklärung der 120 anwesenden Staats- und Regierungschefs „behübscht“.
Ein großer politischer Poker und Machtkampf mit ungewissem Ausgang auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs steht jedenfalls für die letzten beiden Nächte in Kopenhagen bevor.
Die Gefahr, dass dabei das Weltklima auf der Strecke bleibt ist leider sehr groß.
Sunday, December 13, 2009
Geld hat ein „Mascherl“
Vieles im komplizierten Prozess der Klimaverhandlungen ist nur im Zusammenhang oder in Kombination mit anderen Themen richtig zu verstehen.
Ein schönes Beispiel hierfür ist das am Freitag von der EU stolz verkündete „Klimaschutz-Soforthilfepaket“ für die vom Klimaschutz bereits heute viel stärker betroffenen Entwicklungsländer. In Summe 7,2 Milliarden €, jeweils 2,4 pro Jahr von 2010 bis 2012. Angeblich mussten rund 10 der 27 EU-Länder mit sehr viel Nachdruck zu einem Beitrag überredet werden.
Klingt gut auf den ersten Blick. Die Begeisterung seitens der in den Klimaverhandlungen als G77 zusammengefassten Entwicklungsländer und der im Kopenhagener Bella Center versammelten entwicklungs- und umweltpolitischen NGOs hielt sich trotzdem in überschaubaren Grenzen.
Das hat gute Gründe.
Zum einen ist die Summe im Verhältnis zu den Beiträgen die laut wissenschaftlichem State of the Art notwendig ist marginal. Man geht davon aus, dass ca. je 150 Milliarden € pro Jahr, gleich aufgeteilt auf Klimawandelanpassungsmaßnahmen und klimafreundliche Technik im Süden notwendig sind. Nicht allein von der EU, aber von allen Industrieländern zusammen.
Zweitens fehlt die langfristige Perspektive. Um nachhaltige Entwicklung im Süden zu ermöglichen ist eine verlässlich-kontinuierliche Finanzierung weit über 2020 hinaus notwendig.
Schließlich, und das führt zurück zur Geschichte mit dem Mascherl: Zum größten Teil handelt es sich um kein neues Geld, keine neuen Unterstützungen sondern um anders gewidmete Beiträge, z.B. aus den herkömmlichen Entwicklungszusammenarbeits-Mitteln. Altes Geld mit neuem „Mascherl“.
Eine Tatsache, die von vielen Entwicklungsländern als Provokation gesehen wird.
Klimagerechtigkeit sieht anders aus.
Friday, December 11, 2009
Copenhagen: it should be FAB - fair, ambitious and binding
Ein neues Kürzel der an Abkürzungen und Metasprache reichen Klimaverhandlungen hat die erste Woche der Kopenhagen-Verhandlungen geprägt: Fair soll er sein, der neue Klimavertrag, ambitiös und völkerrechtlich verbindlich.
Was darunter zu verstehen ist, darüber gehen die Meinungen und Positionen jedoch wie befürchtet und sich schon lange abzeichnend leider meilenweit auseinander.
Taktisch prägen die ersten Verhandlungstage die Prinzipien, die schon alle Weltklimakonferenzen der letzten Jahren zu mehr oder minder großen Klimakatastrophen gemacht hat: Wer sich bewegt, hat verloren, Position halten um jeden Preis, keinen Deut nachgeben bevor die Minister kommen.
Das Spiel mit ungewissem Ausgang für die Zukunft der Menschheit wird noch immer nach dem Grundprinzip betrieben „wer am wenigsten für den Klimaschutz tun muss hat gewonnen“. Ein Pokerspiel mit gefährlichen Konsequenzen beruhend auf dominierend sektoralen Interessen der verschiedenen Verhandler.
Eine gewisse Dynamik lässt sich jedenfalls für die zweite Woche schon allein dadurch erwarten, dass der Übergang zum politischen High Level Segment diesmal zweistufig erfolgt. Erst dürfen die (Umwelt)minister ran, dann die Regierungschefs.
Einige Highlights der ersten Verhandlungstage:
• Saudi-Arabien bestätigt seine Rolle als Top-Bad-Guy schon im Eröffnungsplenum und stellt den Klimawandel unter Hinweis auf die britische Klimadaten-Affäre noch einmal grundsätzlich in Frage.
• Österreich bekommt bereits am ersten Konferenztag gemeinsam mit Finnland und Schweden ein „Fossil of the Day“. Zwar nicht für die in der EU-27 einzigartige Verfehlung der Kyoto-Ziele, sondern für einen Vorstoß zur kreativen zusätzlichen Klimabilanz-Anrechnung von Waldzuwachs.
• Ein Geheimpapier des dänischen Ministerpräsidenten, veröffentlicht von der brittischen Tageszeitung „The Guardian“ das angeblich nicht einmal mit der zuständigen Kliministerin (ja, Dänemark hat eine solche) abgesprochen war, empört die Entwicklungsländer, weil eine Trennung zwischen Schwellenländern mit Reduktionszielen und ärmeren Entwicklungsländern ohne Reduktionsziele vorgesehen ist.
• Ein Vorstoß der ärmsten und stäkst betroffenen Länder unter Führung der AOSIS (die pazifischen Kleine-Insel-Staaten, die buchstäblich gegen das Untergehen kämpfen), die ein Limit für die Erderwärmung von 1,5 statt 2 Grad fordern, droht die Gesamtgruppe der Entwicklungsländer (G77) zu spalten. Ein Teil der AOSIS-Delegationen verlässt zeitweise die Verhandlungen.
• Die EU ringt auf Regierungschefebene um eine Sofort-Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen im Süden, die die Entwicklungsländer verhandlungsbereit bezüglich Reduktionszielen stimmen soll. Beschlossen werden rund 2,4 Milliarden € per Jahr ab sofort. Ein Tropfen auf den heißen Stein und ein Schelm wer mit den Bankenhilfspaketen vergleicht. Internationale Studien berechnen dass ca. 70 Milliarden € per Jahr für Anpassung im Süden notwendig wären und nochmals so viel für klimafreundliche Technologie.
• UNFCCC Generalsekretär De Boer überrascht mit der Ankündigung dass es am Ende der Konferenz wohl 2 Abschlüsse geben wird, eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls und eine Extra-Regelung für Staaten für die USA. Beobachter rätseln über die dahinterstehende Taktik zu diesem Zeitpunkt.
Die Hauptfrage für die kommende Politikerwoche lautet: Wird es zumindest ein Hopenhagen Deal oder steht uns eine CCCCC (Copenhagen Climate Change Conference Catastrophe) bevor?
Es werden wohl schwierige, lange und spannende Nächte werden.
Jedenfalls wäre im Zweifelsfall ein lautes und weltweit peinliches Scheitern für die Zukunft der Klimaverhandlungen besser als ein schwaches Abkommen, dass echten Klimaschutz für Jahre blockiert und mit viel PR-Aufwand als politischer Erfolg verkauft wird.
Letztgültig geht es um nicht mehr oder weniger als ein hochkomplexe Geflecht der weltweiten Infrastruktur von Energieerzeugung, Mobilität und Ernährung in kurzer Zeit radikal umzustellen, andere Konsummuster zu verankern und einen Ausgleich zwischen den reichen Nationen und den armen Ländern des Südens herzustellen.
Der Klimawandel mischt die Karten im politischen Kräftemessen neu: China steigt zur neuen Supermacht auf und besetzt die Leerstelle, die die zerbröselnde Sowjetunion hinterlassen hat. Die USA und China besitzen als größte Treibhausgasnationen die Fähigkeit zum ökologischen Overkill. Ohne sie geht nichts, und nur sie können einen Deal zum Erfolg führen. Die EU hat bis jetzt keinen Platz mit Bedeutung und echter politischer Macht dazwischen gefunden
Und auch die Neutralität ist in Zeiten der globalen Erwärmung keine Alternative: Beim Klimawandel kann es keine blockfreien Länder geben.