Saturday, December 19, 2009

Gescheitert

Wolfgang Mehl aus Kopenhagen

Kopenhagen ist gescheitert. Die größte Klimakonferenz aller Zeiten endet mit einem Minimalkompromiss, der nur als Klimakatastrophe bezeichnet werden kann.
Ein afrikanischer Delegierter, der vor mir stehend Präsident Obamas Pressekonferenz am Bildschirm verfolgte, brachte es mit der gleichzeitig geschriebenen SMS auf den Punkt "We have lost". Verloren haben alle, vor allem aber die am schwersten vom Klimawandel betroffenen ärmsten Länder dieser Erde.

FAB sollte es sein, das Kopenhagener Klimaschutzabkommen, fair ambitiös und bindend. Geblieben ist eine vage politische Deklaration ohne konkrete Ziele und Verpflichtungen. Ihre Reduktionsziele bis 2020 dürfen sich die Industriestaaten nach einem "wer hat Lust zu ein bisserl freiwilligem Klimaschutz" mehr oder minder selber aussuchen. Zahlen müssen bis 1. Februar 2010 genannt werden.

Das Gesamtziel "minus 80 Prozent Treibhausgasemissionen" für die Industriestaaten gesamt bis 2050 ist im letzten Moment völlig aus dem Text entfernt worden.
Der Waldschutz und viele weitere wichtige Fragen wurden vertagt.

Ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag könnte bis zur COP16 Ende 2010 stehen, aber auch das ist nur eine Absichtserklärung.

Einzig die Zusage von je 30 Milliarden $ Soforthilfe per Jahr 2010-2012 und 100 Milliarden per Jahr ab 2020 für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in den Entwicklungsländern bleiben als Pluspunkte über.

Letztendlich wurder der Copenhagen Accord auch im Schlußplenum von vielen AOSIS, lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten abgelehnt und konnte nur in der schwächst denkbaren Form "the Conference takes note of" beschlossen werden. Der berechtigte Widerstand vieler Länder musste dokumentiert werden.

120 Staats- und Regierungschefs fahren mit leeren Händen nach Hause. Die "Copenhagen Accords" sind ein verzweifelter, aber missglückter Versuch mit einer äußerst schwachen politischen Abschlussdeklaration das Gesicht zu wahren.

Ein "Fossil of the Day" haben sich sehr viele redlich verdient.
Nach meiner persönlichen Überzeugung wäre ein klares und lautes Scheitern besser gewesen als dieser Katastrophen-Kompromiss.

Das hätte vielleicht ein kollektives Aufwachen und komplett neue Ansätze ermöglicht. Z.B ein globales Kohlenstoff-Budget, berechnet entsprechend dem maximal-2-Grad-Ziel, das zu gleichen Teilen auf alle Menschen aufgeteilt wird.

Friday, December 18, 2009

Kopenhagen - die letzten Stunden beginnen

Parallel zum gerade begonnen informellen High Level Plenary mit 120 Staats- und Regierungschef, das allgemein als entscheidend betrachtet wird, dominieren Gerüchte das Kopenhagener Bella Center.
Angesichts der längst eingestandenen Unmöglichkeit, hier in Kopenhagen einen völkerrrechtlichen bindenden Klimavertrag für die Zeit nach Auslaufen des Kyoto-Vertrages zu erzielen, fokusiert sich die Arbeit auf eine mehr oder weniger bindende politische Deklaration, die dann im Laufe des Jahres 2010 in einen Vertrag umgewandelt werden soll.

Die Gefahr ist groß, dass eine 2-seitige Schlußdeklaration zusammengestellt wird, die gerade mal das 2-Grad-Ziel festschreibt und eine 100 Milliarden $ Finanzierung für Klimaschutz- und Anpassung in den Entwicklungsländern verspricht.
Konkrete Reduktionsziele bis 2020 für Industrieländer kommen möglicherweise in dieser politischen Deklaration (auch der Titel des Dokuments ist weiterhin umstritten) gar nicht vor, entscheidende Fragen wie der Waldschutz oder die Flugverkehrsemissionen werden wohl jedenfalls vertagt.
Brasiliens Präsident Lula hofft auf ein Wunder in den letzten Stunden, Hugo Chavez meint, wohl zu Recht "Wäre das Klima eine Bank, wäre es gerettet worden".
US-Präsident Obamas Rede bringt wenig Neues, es bleibt beim "Angebot" 17 % Reduktion zu 2005, was gerade mal 4 % auf Basis 1990 sind. Der entscheidende Punkt ist die externe Prüfung der Emissionsentwicklung der Schwellenländer, de facto die Machtfrage zwischen China und den USA.
Ein langer Tag und wohl eine lange Nacht stehen noch bevor.

Thursday, December 17, 2009

Chaos in Kopenhagen – Konferenzausgang ungewiss

Wolfgang Mehl aus Kopenhagen

Am vorletzten Tag der größten Klimakonferenz aller Zeiten beherrschen Unsicherheit, Nervosität, allgemeines Blockieren und Chaos auf vielen Ebenen das Konferenzleben.

Der Zugang für Oberserver und NGOs wurde aus „Kapazitäts- und Sicherheitsgründen“ für die letzten beiden Konferenztage auf symbolische 300 VertreterInnen (inklusive der Industrie-Lobbyisten) eingeschränkt.
Der Autor dieser Zeilen ist einer dieser letzten Mohikaner.

Die Arbeitspapiere der Hauptgruppen (AWG-LCA und AWG-KP), die am Freitag von den Vorsitzenden vorgelegt wurden, sind inzwischen mehrfach überarbeitet und erweitert worden.
Insgesamt sind die Texte deutlich schwächer und weniger konkret als Ende der ersten Verhandlungswoche.
Jeder Versuch über relative Klimaschutzziele für die Entwicklungsländer zu sprechen bevor konkrete Zahlen für die Verpflichtungen der Industrieländer am Tisch liegen, werden von ersteren strikt abgelehnt.
Verständlich angesichts der provokanten Nicht-Übernahme von Verantwortung seitens der reichen Länder dieser Erde in den Jahren seit Kyoto 1997.

Die bisher vorgelegten Reduktionsverpflichtungsangebote der Industriestaaten reichen gerade mal für 15 bis 20% weniger Treibhausgase bis 2020. Zahlen die zu 3 bis 4 Grad Erderwärmung statt der maximal erträglichen von 2 Grad führen.

Eine schwer zu lösende Patt-Situation und eine große Gefahr dass Freitagnacht eine Matt-Situation für das Weltklima als Ergebnis entsteht.
Eventuell durch eine schwache politische Absichtserklärung der 120 anwesenden Staats- und Regierungschefs „behübscht“.

Ein großer politischer Poker und Machtkampf mit ungewissem Ausgang auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs steht jedenfalls für die letzten beiden Nächte in Kopenhagen bevor.
Die Gefahr, dass dabei das Weltklima auf der Strecke bleibt ist leider sehr groß.